"Hier kann keine echte Nachbarschaft entstehen"
In Moabit breitet sich die Vermietung teurer Co-Living-Zimmer aus
Mieter-Aktivisten aus Moabit empören sich: Immer mehr Wohnungen im Kiez werden als Wohngemeinschaften mit sehr teuren Zimmern vermarktet.
Das sei der neueste Trend im Immobiliengeschäft, wettern Vertreter der Initiative Wem gehört Moabit: „neben möblierten Apartments oder teuren Mini-Buden für Studierende, weit jenseits von Mietspiegel oder Mietpreisbremse“.
Eine bekannte Adresse von sogenannten Co-Living-Anbietern in Moabit ist die Stromstraße 36. Dort bietet die Medici Living GmbH einzelne möblierte Zimmer in zwölf von 18 ehemaligen Sozialwohnungen an. In Berlin vermietet das Unternehmen solche Zimmer zurzeit in mehr als 250 Wohnungen. Für ein paar Quadratmeter werden monatliche Mietpreise zwischen 410 und 600 Euro aufgerufen. In der Lübecker Straße 43 seien freiwerdende Wohnungen zunächst in der vierten Etage und nunmehr auch in der ersten Etage komplett umgebaut worden, so Wem gehört Moabit. In diesen Stockwerken würde jeweils eine Wohnung in einzeln vermietete Zimmer aufgeteilt.
94 Wohnungen, 266 Betten
Kleine Zimmer, kleine Bäder, kleine Küchen – so sind die Wohnungen in Nachkriegsbauten aus dem Wiederaufbauprogramm konzipiert; für Medici Living kein Hinderungsgrund in solchen Wohnungen, etwa in der Bandelstraße 8 und der Dreysestraße 12, Dreier-WGs unterzubringen.
Von einem Skandal sprechen die Mieter-Aktivisten im Falle der zwei Mietshäuser des zweiten Bauabschnitts des Mittenmang Quartiers der Groth-Gruppe an der Klara-Franke-Straße. Die beiden Häuser sind an eine Gesellschaft (Family Office) verkauft worden, deren Zweck die Verwaltung des Privatvermögens einer Eigentümerfamilie ist. Das Family Office will als Betreiber Medici Living einsetzen. Laut Immobilienportalen, das hat Wem gehört Moabit recherchiert, handelt es sich um 94 Wohnungen mit 266 „Betten“.
Und dann seien da noch die 266 geplanten Mikroapartments im „Fritz Tower“, so Wem gehört Moabit. Das 18-geschossige Hochhaus im Mittenmang-Quartier befindet sich im Bau. Die Mini-Apartments sollen von einer Unterfirma von Corestate betrieben werden. Die Corestate Group, gegründet vom früheren Chef des Private Equity Fonds Cerberus, Ralph Winter, investiert ebenfalls in Mikroapartments und Co-Living. Ihre Marken sind Joyn, Linked Living und Youniq.
Protest gegen gewerbliche Vermietung
Wem gehört Moabit und der Betroffenenrat Lehrter Straße haben eine Protestnote an den Regierenden Bürgermeister, Michael Müller (SPD), an Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke), an das Abgeordnetenhaus, das Bezirksamt und an den Geschäftsführer der Groth-Gruppe, Henrik Thomsen, gerichtet. Außerdem ist eine Kampagne geplant. Die Aktivisten befürchten, eine echte Nachbarschaft in den Neubauten komme nicht zustande, wenn viele Menschen nur vorübergehend dort wohnten.
„Wir sind der Meinung, dass die Stadt Berlin gegen die Umwandlung von Mietwohnungen in gewerbliche Vermietung als Apartments beziehungsweise Co-Living-Zimmer vorgehen muss“, so der Tenor des Schreibens. Vermutlich aber sei der mit der Groth-Gruppe geschlossene städtebauliche Vertrag so schwammig, dass es keine Handhabe dagegen gibt.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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