Die Schutzengel der Nacht
Kältebusse der Stadtmission versorgen Obdachlose in den eisigen Monaten des Jahres
Am 1. November starten wieder die Kältebusse der Stadtmission. Ehrenamt-liche bringen Obdachlosen heißen Tee und warme Sachen und fahren die Menschen zu einem sicheren Übernachtungsplatz, wenn diese es wünschen.
In Berlin sollen Schätzungen zufolge bis zu 10 000 Menschen auf der Straße leben. Wenn die Temperaturen sinken und eisige Minusgrade herrschen, wird es lebensbedrohlich für Obdachlose, die in Zelten oder unter Brücken hausen. Nicht jeder findet den Weg in eine Kälte-Notübernachtung. Viele wollen auch nicht mit anderen in solche Einrichtungen und riskieren damit den Kältetod. Manche unterschätzen auch einfach die tödliche Gefahr der Kälte.
Seit 1994 sind die Eisengel der Stadtmission, wie eine Boulevardzeitung damals schrieb, unterwegs, um Obdachlose vorm Erfrieren zu retten. Von acht Uhr abends bis nachts um halb drei fahren sie zu den Orten, wo sich die Menschen aufhalten und bringen ihnen heißen Tee und heiße Suppen. Die ehrenamtlichen Zweierteams haben auch warme Schlafsäcke, Mützen, Handschuhe, Hosen, Jacken, Socken oder Unterwäsche an Bord. Wenn die Obdachlosen dies wollen und auch ihr Einverständnis geben, bringt der Kältebus sie in eine Kälte-Notübernachtung. Die größte Einrichtung dieser Art betreibt die Stadtmission mit 120 Plätzen in der Lehrter Straße.
Das wichtigste aber sind die herzlichen Begegnungen und wärmenden Worte, die die Kältebus-Teams den Betroffenen bringen. „Die Ehrenamtlichen kommen aus verschiedenen Berufen. Sie machen das alle, um Nächstenliebe weiterzugeben“, sagt Ulrich Neugebauer. Der Diakon ist seit 30 Jahren bei der Stadtmission und leitet das Kältebus-Projekt. Neugebauer ist der Erfinder der rollenden Schutzengel. Gemeinsam mit Karen Holzinger und Gunnar Fiedler hatte er 1994 die Idee zum Kältebus. Als Sozialarbeiter in der City-Station der Stadtmission am Ku’damm haben sie sich in einer extrem kalten Nacht gefragt, was eigentlich mit den Obdachlosen passiert, die es nicht in eine Notübernachtung schaffen, von denen es damals 80 Plätze gab. Heute sind es 1200.
Mit einem roten T2 Bulli, den die Stadtmission von einer befreundeten Gemeinde aus dem Sauerland geschenkt bekommen hatte, sind die Drei damals losgefahren, um Halb-erfrorene einzusammeln. „Von den acht Leuten im Auto sind wir nur vier losgeworden“, erinnert sich Neugebauer. Die Notübernachtungen wollten einen Läuseschein und auch keine Angetrunkenen. „Wir haben dann als Stadtmission unsere erste niedrigschwellige Notübernachtung aufgemacht, wo diese Fragen nicht gestellt wurden, und die Leute mit dem Kältebus dahingefahren“, so Neugebauer. Etwa 30 Leute pro Nacht waren es in den Anfangsjahren.
Heute gehören rund 40 Ehrenamtliche zum Team, die jede Nacht vom 1. November bis 31. März unterwegs sind. Krankenschwestern, Feuerwehrleute, Autoren oder Ärzte sind darunter, die einfach helfen wollen. Drei Busse touren durch die Stadt und bringen den Menschen auf der Straße Hilfe. Anders als in der Vergangenheit wollen die meisten inzwischen draußen bleiben und freuen sich über eine warme Suppe. „Durch die Gespräche auf Augenhöhe gibt es immer wieder diese kleinen Wunder, wenn sich Menschen helfen lassen und aus der Situation wieder herausziehen“, sagt Neugebauer.
Die Stadtmission hat sogar einen Ambulanzbus mit medizinischer Ausstattung. Seit zwei Jahren gibt es zudem ein Callcenter. Unter der Kältebus-Hotline 030/690 33 36 90 nimmt es ab 20 Uhr Anrufe von Passanten entgegen, die Obdachlose in brenzligen Situationen sehen und melden. Das Callcenter gibt dann die Angaben an die Teams der Kältebusse weiter. Die Einsätze werden über eine App koordiniert, sodass die Fahrer sofort wissen, wer wo und welche Hilfe braucht.
Die Stadtmission braucht ständig Spenden wie Kaffee, Tee, Zucker und Becher für Suppen, die die Helfer vor Ort für die Obdachlosen einfach aufbrühen können. Auch Unterwäsche, warme Jacken oder Socken werden benötigt. Spenden kann man in der Lehrter Straße 68 (wochentags 8 bis 18 Uhr) abgeben.
Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.berliner-stadtmission.de
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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