Misshandelt: In der Gewaltschutzambulanz sichern Rechtsmedizinerinnen Beweise
Tiergarten. Knapp 2000 Menschen kamen bisher in die Gewaltschutzambulanz. Sie wurden geschlagen, getreten, misshandelt oder vergewaltigt. Ihre Verletzungen werden dort rechtsmedizinisch untersucht und dokumentiert. Berichte und Fotos können später vor Gericht verwendet werden. Die jüngste Patientin war zwei Tage alt, die älteste 88 Jahre.
Das Gebäude liegt etwas abseits der Birkenstraße, und die gläserne Eingangstür ist immer verschlossen. Wer zur Gewaltschutzambulanz möchte, muss sich vorher anmelden. Jeder wird zu seinem Schutz abgeholt und begleitet. „Denn regelmäßig stehen Morddrohungen im Raum“, sagt die Rechtsmedizinerin Saskia Etzold. Sie ist die stellvertretende Ärztliche Leiterin.
Die Gewaltschutzambulanz, die an die Charité angeschlossen ist, gibt es seit Februar 2014. Mittlerweile gehören sechs Ärztinnen zum Team. 750.000 Euro stellt die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz jährlich zur Verfügung. In den meisten Fällen handelt es sich um häusliche Gewalt. Ein Drittel der Betroffenen sind Kinder. Sie werden von der Polizei oder dem Jugendamt gebracht. Nicht immer bestätigt sich der Verdacht auf Misshandlung. Doch Saskia Etzold sieht viele Kinder, die von den Schlägen ihrer Eltern blaue Flecken und Knochenbrüche haben.
Bei den Erwachsenen sind über 80 Prozent weiblich. Meistens wurden die Frauen von ihren jetzigen oder ehemaligen Partnern misshandelt. Aber auch Polizisten, Feuerwehrleute und Mitarbeiter aus Rettungsstellen, die von Fremden angegriffen wurden, lassen sich in der Gewaltschutzambulanz untersuchen. Es geht darum, Beweise zu sichern, bevor die Folgen der Gewalt verblassen. Die Ärztinnen sind speziell geschult, um bestimmte Verletzungen zu erkennen. Ein Schlag auf den behaarten Kopf ist meistens nicht zu sehen, unterblutete Hautstellen am Hals sind ein deutlicher Hinweis, dass die Frau gewürgt wurde. „Bei solchen Verletzungen müssen wir als Rechtsmedizinerinnen davon ausgehen, dass Lebensgefahr bestand. Jede vierte Frau, die Opfer häuslicher Gewalt war, weist solche Würgemale auf", so Etzold.
Die Gewaltschutzambulanz schließt eine Lücke. In den Rettungsstellen werden die Wunden versorgt, für ein vertrauliches Gespräch fehlt die Zeit. "Wir nehmen uns eine Stunde Zeit und vermitteln auch an rechtliche und psychosoziale Beratungsmöglichkeiten“, sagt Saskia Etzold. Mit Kinderschutzambulanzen und anderen Einrichtungen wird eng zusammengearbeitet.
Seit Juli gibt es auch einen mobilen Dienst. Die Ärztinnen fahren in Kranken- und Frauenhäuser, um die Opfer von Gewalt dort zu untersuchen und Fotos von ihren Verletzungen zu machen. Für vergewaltigte Frauen wird seitdem eine vertrauliche Spurensicherung angeboten. Das heißt: Sie werden untersucht, ohne eine Anzeige erstatten zu müssen und können in Ruhe überlegen, ob sie zur Polizei gehen möchten oder nicht. Vorher musste zuerst eine Anzeige erstattet werden. Bis zu 72 Stunden nach der Tat können DNA-Spuren gesichert werden. „Ein Jahr werden sie bei uns gelagert. In dieser Zeit kann noch eine Anzeige erstattet werden“, so Etzold. Proben und Unterlagen werden nur dann der Polizei übergeben, wenn die Frau einverstanden ist.
Eine Untersuchung in der Gewaltschutzambulanz ist nur nach telefonischer Anmeldung möglich. Ein Termin wird kurzfristig vergeben. UL
Autor:Ulrike Lückermann aus Lichtenberg |
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