Krankenversorgung auf der Straße
Seit zehn Jahren kümmert sich eine mobile Ambulanz um Obdachlose ohne Versicherung

Einem Mann mit entzündeten Beinen werden vorsichtig die Verbände gewechselt. | Foto:  Marcus Glahn
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  • Einem Mann mit entzündeten Beinen werden vorsichtig die Verbände gewechselt.
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Wenn Artur Darga im Dunkeln auf dem Alexanderplatz aus dem Ambulanzbus der Berliner Stadtmission steigt, wird er gleich angesprochen: Ein Mann mittleren Alters bittet ihn um einen warmen Tee, ein anderer fragt nach einer heißen Suppe. Ein Stammpatient der Straßenambulanz kommt zu ihm. Er ist wie die meisten nicht krankenversichert: „Ich wurde im Krankenhaus am Bein behandelt und jetzt habe ich Schmerzen“, klagt er. Artur Darga unterhält sich mit ihm auf Polnisch. Anschließend reicht er dem Mann ein paar Tabletten.

Zweimal pro Woche ist der Ambulanzbus unterwegs, um Menschen zu versorgen, die auf der Straße leben. Und das mittlerweile seit zehn Jahren. Manche Obdachlose finden dadurch später den Weg in die Räume der Ambulanz für Menschen ohne Krankenversicherung an der Lehrter Straße. Die Stiftung der Deutschen Bahn hat vor rund zehn Jahren die Eröffnung der Praxis ermöglicht. „Berliner helfen“, der Verein der Berliner Morgenpost, hat mit einer Spende für neue Schränke gesorgt, damit Medikamente und Verbandsmaterial ordentlich aufbewahrt werden können. Sprechstunde ist immer dienstags und freitags.

„Doch leider mussten wir schnell merken, dass nicht alle obdachlosen Menschen dorthin zur Behandlung kommen können“, erklärt Artur Darga. Manche kennen den Ort nicht, andere haben psychische Probleme, die nächsten können schlecht laufen und schaffen es einfach nicht dorthin. Darum hatte das ehrenamtliche Team um Ambulanzleiterin Svetlana Krasovski-Nikiforovs vor rund zehn Jahren die Idee, eine mobile Ambulanz loszuschicken. „Zuerst haben wir uns einfach nur ein Auto geliehen und improvisiert“, erinnert sich der 60 Jahre alte Fahrer. Ein paar Jahre später hat dann die Conrad-Stiftung der Stadtmission den Ambulanzbus geschenkt. „Der hat eine Rampe für Rollstuhlfahrer, damit wir sie ins Innere schieben können“, sagt Artur Darga.

Fahrer Artur Darga vor seinem Straßenambulanz-Bus. | Foto:  Marcus Glahn
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Auf dem Alexanderplatz bugsiert er vorsichtig den ersten Patienten die Rampe hoch. Der Mann ist in sehr schlechtem Zustand: amputierte Zehen, entzündete Beine und dazu noch ein gebrochener Arm im Gipsverband. So kann er sich ohne Hilfe nicht mit seinem Rollstuhl fortbewegen. Das Team der Straßenambulanz kümmert sich um die Beine des Mannes. Die ehrenamtlich tätige Ärztin Gabriela Aldama hat schon häufiger seine Verbände gewechselt. Der 57-Jährige kennt sie und vertraut ihr. Mit einem großen Schluck Kaffee spült er die Schmerztablette herunter: „Vorhin habe ich schon eine halbe Flasche Wodka getrunken, damit es nicht so wehtut.“ Um ihn zu behandeln, braucht die Ärztin Fingerspitzengefühl, starke Nerven, große Menschenliebe – und viel Zeit. Esther Lehmann assistiert ihr. Sie arbeitet normalerweise in einer Notunterkunft der Berliner Stadtmission. Mit destilliertem Wasser tränkt sie die schmutzigen Verbände, anschließend löst die Ärztin sie vorsichtig ab. Fast zwei Stunden vergehen, bis die vereiterten Beine frisch verbunden sind.

Viel Raum für Gespräche

In dieser Zeit gibt es viel Raum für Gespräche. Der Mann erinnert sich, wie er als Koch und Bäcker einst ganze Tage auf den Beinen war. Damals, vor etwa 20 Jahren, verlor er seine Wohnung. Inzwischen kann sich der alkoholabhängige Mann nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Als er während der Corona-Pandemie für mehrere Wochen in einer Einrichtung der Berliner Stadtmission bei freier Kost und Logis wohnen durfte, ging es ihm schnell besser. Artur Darga ist sich daher sicher: „Mehr Angebote wie diese und auch Tagesstätten sind nötig, damit sich obdachlose Menschen an dieselben Ansprechpartner wenden können, Vertrauen fassen und den Mut finden, ihr Leben zu ändern.“

Der Straßenambulanzfahrer spricht aus eigener Erfahrung: „Ich war selbst 21 Jahre lang heroinabhängig und habe auf der Straße gelebt.“ Sein Glaube habe ihm dabei geholfen, wieder ein geregeltes Leben zu beginnen. „Auch mir war damals meine Gesundheit egal“, erinnert sich Artur Darga.

Heute bereiten ihm die Menschen Sorgen, die auf der Straße leben und keine Hilfe annehmen. Die Zeit sei zu schnelllebig, die Anforderungen an viele Menschen zu hoch. „Nicht alle können da mithalten, viele wirft das Leben aus der Bahn“, sagt er. Ihnen will die Stadtmission mit der Straßenambulanz helfen.

Einem Mann mit entzündeten Beinen werden vorsichtig die Verbände gewechselt. | Foto:  Marcus Glahn
Fahrer Artur Darga vor seinem Straßenambulanz-Bus. | Foto:  Marcus Glahn
Autor:

Petra Götze aus Mitte

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