Wo die Taucherbrille mit echten Gläsern erfunden wurde
Traditionsgeschäft "Bardorf Optik" sucht Nachfolger
Hier gibt’s seit 125 Jahren Brillen, Kontaktlinsen und Ferngläser vom Fachmann. Jetzt sucht „Bardorf Optik“ einen Nachfolger. Findet sich keiner, schließt das Traditionsgeschäft Ende September.
An der Turmstraße endet eine Ära. Das Geschäft „Bardorf Optik“, Spezialist fürs Augenglas, schließt Ende September seine Ladentür. Der jetzige Inhaber verabschiedet sich in den Ruhestand. Wobei Augenoptikermeister Klaus Hohensee und seine Frau Claudia noch hoffen. „Auf einen Nachfolger, der das Geschäft übernimmt.“ Was schwierig wird, denn Hohensee weiß: „Die Optiker-Branche sucht händerringend Fachleute.“
Verkaufsschlager war "Bardorfs Massenmord" - ein Mittel gegen Wanzen
125 Jahre alt ist die Firma Bardorf in Moabit. Außergewöhnlich, dass ein Geschäft in schnelllebigen Zeiten so lange existiert. Zu verdanken ist das den Bardorfs. Mit Cleverness, Ehrgeiz und Erfindergeist haben sie das Familienschiff durch turbulente Jahrzehnte ins Heute manövriert. Angefangen hat alles 1896 mit Herrmann Bardorf aus Thüringen. Nach Berlin gekommen, eröffnet er an der Gotzkowskystraße/Ecke Zwinglistraße in Moabit gemeinsam mit seiner Frau Minna, einer gutsituierten Bäckerstochter aus Breslau, eine Drogerie. Ihr Verkaufsschlager ist „Bardorfs Massenmord“ – ein effektives Wanzenmittel. Herrmann Bardorf interessiert sich aber auch für Fotografie, die gerade populär wird, besucht Kurse an der Hochschule der Künste, fotografiert, entwickelt in der Dunkelkammer und fängt nach Feierabend an, Kurse für „die Herren Amateure“ zu geben. Er selbst hat eine Leidenschaft für Fabriken und wird zum Meister hochwertiger Industriefotografien.
Umzug an die Turmstraße
1907 zieht Hermann Bardorf mit seinem Geschäft in die Turmstraße 74, gibt die Drogerie auf und widmet sich nach gründlicher Vorbereitung in Theorie und Praxis fortan der Augenoptik. Unter seiner Leitung erwirbt die Firma einen guten Ruf – als optisches Fachgeschäft und als Fotohandlung. Seine beiden Neffen, Georg und Johann Bardorf, die er adoptiert hat, lernen bei ihm das Optiker-Handwerk. Nach dem Tod des Geschäftsgründers 1931 führen sie gemeinsam mit der strengen Adoptivmutter Minna das Geschäft weiter. In Hochzeiten haben sie 15 Angestellte. Im Zweiten Weltkrieges wird die Fassade des Hauses 1945 schwer beschädigt und aus winzigen Glasscheiben ersetzt. Anderes Material ist damals Mangelware. In den Fünfzigern bekommt das Gebäude eine neue Fassade und das Geschäft eine große Fensterfront.
Tüftler mit Geschäftssinn
Mittlerweile ist Georg Bardorfs Sohn Wolfgang ins Geschäft eingestiegen. Der Moabiter führt die Familientradition fort, macht eine Fachausbildung zum staatlich geprüften Augenoptiker und zum Augenoptikermeister. Seine Frau Gitta leitet als gelernte Fototechnikerin das Schwarz-Weiß-Labor. „47 Jahre lang war ich Betriebsangehöriger“, erzählt Wolfgang Bardorf, der heute 91 Jahre alt ist. Er hat den Bau der Mauer erlebt, das Aussterben der chemischen Fotografie, den Rückzug der Krankenkasse aus der Übernahme der Brillenverordnungskosten, den Fall der Mauer und meistert mit seinen Angestellten alle Herausforderungen. So wird „Bardorf Optik“ in ganz Berlin bekannt. Politiker aus dem nahen Regierungsviertel lassen sich bei Wolfgang Bardorf neue Brillengläser schleifen, Prominente wie die Schauspielerin Ursela Monn kaufen seine Ferngläser und Fernrohre. „Unser Alleinstellungsmerkmal aber war die Taucherbrille mit echten Gläsern“, erinnert sich Wolfgang Bardorf. Über Jahre tüftelte er daran, wie man geschliffenes Glas auf Glas klebt – dauerhaft und wasserdicht. „Das war ein großes Problem. Polyester zum Beispiel platzte sofort wieder ab.“ Und so dauerte es seine Zeit, bis er den richtigen Kunststoff gefunden hatte.
Ein Nachfolger wird gesucht
1996 setzt sich Wolfgang Bardorf schließlich zur Ruhe, die Hohensees übernehmen das Geschäft. Claudia Hohensee ist eine ehemalige Angestellte. Nun, nach 25 Jahren, verabschiedet sich das Paar. Was Wolfgang Bardorf ein wenig traurig stimmt, schließlich hängt sein ganzes Herz an dem Geschäft. „Aber alles hat seine Zeit“, sagt er. „Und vielleicht finden wir ja doch noch einen Nachfolger, der den Optikerladen mit frischen Ideen weiterführt.“ Aber auch andere überzeugende Geschäftsideen, beispielsweise aus dem Gesundheitsbereich, wären Wolfgang Bardorf willkommen.
Bewerbungen: laden-turmstrasse@outlook.com.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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