Die Vorgeschichte des 17. Juni 1953 begann am Müggelsee

Stefan Wolle an der Dampferanlegestelle "Rübezahl". Hier planten die Bauarbeiter den ersten Streik. | Foto: Ralf Drescher
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Müggelheim. Am 17. Juni 1953 unternahmen die Ostdeutschen den ersten Versuch, die SED-Diktatur zu beenden. Die Keimzelle für den Aufstand lag nicht auf einer Krankenhausbaustelle an der damaligen Leninallee, sondern im Biergarten des Ausflugslokals "Rübezahl". Das beweisen neue Untersuchungen des Historikers Stefan Wolle.

Die Vorgeschichte des Arbeiteraufstands beginnt am 13. Juni. Gegen 7.30 Uhr legen die Fahrgastschiffe "Seid bereit" und "Triumph" an der Jannowitzbrücke ab. An Bord sind gut 600 Arbeiter der Bau-Union, die auf der Baustelle des Krankenhauses am Friedrichshain beschäftigt sind. "Bereits auf der Fahrt zum Müggelsee wurden die von der Regierung beschlossenen Normerhöhungen diskutiert. Da das mehr Arbeit für weniger Geld bedeutete, waren die Bauarbeiter sehr empört", erzählt Stefan Wolle. Der Historiker ist ausgewiesener Kenner der DDR-Geschichte und wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Mitte.Gegen Mittag kamen die Arbeiter im Rübezahl-Biergarten an. Da gingen die Diskussionen weiter, manches Bier mag die Zungen gelockert haben. "Die Stasiprotokolle vermerken, dass im ,Rübezahl‘ zum ersten Mal das Wort Streik fiel", berichtet Stefan Wolle.

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Am Montag, dem 15. Juni, machen die Arbeiter ihre Ankündigung war und legen die Krankenhausbaustelle an der Leninallee lahm. Auch an der nahen Stalinallee stehen Maurerkellen, Kräne und Betonmischer still. Der Streik wird zur offenen Rebellion, der die DDR an den Rand ihrer Existenz bringt. Nur das Eingreifen der russischen Panzer sorgt dafür, dass das Experiment Sozialismus nicht bereits 1953 beendet wird.

Für viele hat die Dampferfahrt zum Müggelsee noch ein Nachspiel. Zahlreiche Bauarbeiter und der Gewerkschaftsvorsitzende Max Fettling werden verhaftet und von der Stasi verhört. Deren Protokollen entstammt die Erkenntnis, dass der Aufruhr am Ufer des Müggelsees begann. Fettling bekam zehn Jahre Zuchthaus, wurde 1957 vorzeitig entlassen und ging in den Westen.

Für eine Ausstellung zum 60. Jahrestag des 17. Juni soll auch die Geschichte um "Rübezahl" aufbereitet werden. Dafür sucht die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur noch historische Dokumente. Unter anderem Fotos, die das Gasthaus "Rübezahl" 1953 zeigen. Auch Fotos von der Dampferfahrt der Arbeiter und ihrem Aufenthalt am Müggelsee wären von großem Interesse. "Ebenso suchen wir Einladungen zur Dampferfahrt und andere Schriftstücke", sagt Historiker Stefan Wolle.

Wer helfen kann, meldet sich bitte im Museum Köpenick, Alter Markt 1 unter 902 97 33 51.
Ralf Drescher / RD
Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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