Schöneweide im Wandel
Spur nach rechts – Digitaler Spaziergang zum „Nazikiez“ am 8. August
Schöneweide war lange bekannt für eine sehr aktive und aggressive rechte Szene. Mittlerweile ziehen viele junge Familien mit ganz anderen Einstellungen in den Ortsteil. Der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) folgte ein studentisches Publikum. Wie passt das zusammen? Am Samstag, 8. August, geht das Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick der Entwicklung bei einem digitalen Spaziergang nach.
Anlass ist der „Antifaschistische Sommertag“, der jährlich auf unterhaltsame Weise für demokratiefeindliche Entwicklungen sensibilisieren soll. Das Projekt wurde als Reaktion auf ein NPD-Sommerfest in der Köpenicker Parteizentrale ins Leben gerufen, das 2018 viele Neonazis angezogen hatte.
Nach einer Radtour zu „Orten des Miteinanders“ und einem Putzspaziergang, bei dem 2019 rechte Schmierereien im Kiez entfernt wurden, gibt es dieses Jahr ein an die Pandemie angepasstes Programm. Geleitet durch die App „Actionbound“ kann man sich zwischen 11 und 13 Uhr mit dem Smartphone auf den digitalen Spaziergang „Schöneweide – Vom Nazikiez bis zur Gegenwart“ begeben. Los geht es am Zentrum für Demokratie an der Hasselwerderstraße 38–40, wo noch einmal genauer zum Ablauf informiert wird.
„Auseinandersetzung trotz Corona wichtig“
Die App Actionbound, die oft im Bildungskontext genutzt wird, ist mittlerweile ein beliebtes Mittel, um interaktive Schnitzeljagden zu gestalten. Benedikt Hotz vom Zentrum für Demokratie erklärt die Wahl: „Der appbasierte Spaziergang kann individuell und in kleinen Gruppen gegangen werden. In Zeiten von Corona sind viele andere Veranstaltungsformate nicht möglich, wir finden die Auseinandersetzung mit Rassismus und Neonazismus trotzdem wichtig und haben uns auch deshalb für dieses Angebot entschieden. Der Actionbound bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Medien zu verknüpfen und Text, Audio, Bild und Videodokumente zu entdecken“, so Hotz.
Jeder kann selbst bestimmen, wann innerhalb des Zeitfensters er oder sie den eigenen Audiowalk beginnt. Das digitale Angebot soll alle, aber gerade auch Neu-Schöneweider einladen, sich mit der Geschichte des Ortes, an dem sie leben und sich bewegen auseinanderzusetzen. Das möchten viele, sagt Hotz: „Schöneweide verändert sich und wird bunter und vielfältiger. Viele Menschen, die neu in den Ortsteil kommen, haben ein diffuses Bild vom ‚Nazikiez‘ im Kopf, wissen aber wenig über die Neonazi-Strukturen und die Orte und Läden, die von Neonazis betrieben wurden. Wir erleben in Gesprächen ein großes Interesse.“
„Weiterhin eine Bedrohungslage“
Vergangenheit und Gegenwart sollen bei dem Spaziergang zusammenfinden. Denn wenn sich die Gegend auch stark gewandelt hat: Abgeschlossen ist die Auseinandersetzung um die räumliche Hoheit in Schöneweide längst nicht, meint Jeannine Löffler vom Register zur Erfassung extrem rechter und diskriminierender Einstellung: „Mit der NPD-Zentrale in der Köpenicker Seelenbinderstraße befindet sich weiterhin eine der wichtigsten Strukturen der extremen Rechten im Bezirk. Dort findet eine Vielzahl von Veranstaltungen statt. Die NPD-Zentrale dient als Rückzugsraum und Basis für die Neonazi-Szene.“
Doch nicht nur Extremismus ist ein Problem, auch im Alltag gibt es nach wie vor viele Anfeindungen. Immer noch sei Niederschöneweide der Ortsteil mit den meisten dokumentierten Übergriffen im Bezirk. „Regelmäßige rassistisch motivierte Angriffe auf Wohn- und Arbeitsräume zeigen, dass es weiterhin eine Bedrohungslage gibt“, sagt Löffler. „Hier bedarf es einer Sensibilisierung der Anwohnenden und einen solidarischen Umgang mit den Betroffenen.“
Alle Informationen zum Spaziergang und zum Sommerfest danach von 14 Uhr bis 16 Uhr in der Villa Offensiv stehen auf https://bwurl.de/15di.
Autor:Josephine Macfoy aus Schöneberg |
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