„Philibert und Fifi“ im NS-Dokumentationszentrum
„Einzigartiger Schatz“ zeigt die Sicht der Opfer
Der französische Künstler und Karikaturist Philibert Charrin (1920-2007) leistete von 1943 bis 1945 in der Steiermark Zwangsarbeit für das Deutsche Reich. In dieser Zeit schuf er Zeichnungen über die furchtbaren Lebensbedingungen und den Alltag im österreichischen Lager. Die Ausstellung seiner Werke „Philibert und Fifi“ gastiert bis April im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit.
Auf den ersten Blick wirken viele der Bilder erst einmal lustig, die Kritik hole einen erst auf den zweiten Blick ein. So beschreibt Dr. Werner Jung die Werke von Philibert Charrin, die der französische Künstler während seiner Zeit als Zwangsarbeiter schuf. Als junger Mann wurde der Karikaturist im April 1943 von der Vichy-Regierung in der Nähe von Graz zu Erdarbeiten zwangsverpflichtet. Dort dienten ihm seine satirischen Zeichnungen dazu, Abstand von der mühsamen Arbeit und dem harten Alltag zu gewinnen und sich ein kleines Stück Freiheit zurückzuerobern. Geholfen hat ihm dabei sein Alter Ego auf Papier: ein immer fröhliches und schelmisches Strichmännchen namens Fifi. Es ist auf fast allen Arbeiten dieser Schaffensperiode zu sehen und steht häufig mehr oder weniger direkt im Zusammenhang mit dem dargestellten widerständischen Verhalten im Lager.
Solche politischen Anspielungen verschlüsselt Charrin, der sich selbst als unpolitisch bezeichnete, durch kleine Textzeilen voller Sprachwitz. Zurück in Frankreich veranstaltete der Künstler selbst eine wenig beachtete Ausstellung mit seinen Werken aus dem Lager. Er erlangte später großes Ansehen für Collagen und Gemälde – seine Karikaturen aus den Jahren 1943 bis 1945 gerieten in Vergessenheit. Über einen Kontakt zu seiner Witwe, Anne Charrin, konnte Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums in Köln, diese vergessenen Werke nach mehr als 70 Jahren der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen. Die Wanderausstellung der mehr als 80 Karikaturen, Zeichnungen und Plakate war zuerst 2016 in Köln zu sehen, danach bereits in Linz und Braunschweig.
Seit dem 23. November gastiert sie im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in der Britzer Straße 5. Dr. Jung betonte bei der Vernissage am 22. November die Einzigartigkeit dieses Schatzes, der „die zeitgeschichtlich einmalige unmittelbare Sichtweise der Opfer zeigt“. Die Leiterin des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Berlin, Dr. Christine Glauning, hofft durch diese Perspektive „vor allem für Jüngere einen Zugang zum Thema zu schaffen“. Interessierte können die dreisprachige Ausstellung „Philibert und Fifi“ noch bis 28. April dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt besuchen.
Autor:Luise Giggel aus Wedding |
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