Zwei Unternehmerinnen retten einen wertvollen Rohstoff vor der Mülltonne
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Ann Cathrin Schönrock (rechts) und Franziska Uhl gründeten Ende 2020 ihr Unternehmen Yarnsustain. Ausgekämmte Hundewolle machen sie zu einem Garn, aus dem Pullis, Mützen und vieles mehr gestrickt werden können.
„Wir stellen ein Nischenprodukt her – und das wird auch immer so bleiben“, meint Ann Cathrin Schönrock. Allerdings ist es ein Nischenprodukt mit großem Potenzial. Gemeinsam mit Textilingenieurin Franziska Uhl gründete die Wahlberlinerin Ende 2020 die „Yarnsustain Schönrock Uhl GmbH“. Das junge Unternehmen hat sich auf die Herstellung von Chiengora (Garn aus Hundewolle) spezialisiert.
Daraus werden auch Produkte gefertigt, die ab September im Onlineshop zu finden sind, zum Beispiel Mützen und Schals, Socken, Strickjacken und Kissen. Das Prinzip ist einfach. Wer seinem Hund das Fell pflegt, sammelt die sich dabei ablösende Wolle, anstatt sie im Hausmüll zu entsorgen. Diese ausgekämmte Unterwolle wird per Post an das Unternehmen geschickt oder in einer Sammelstelle abgegeben. Ab 500 Gramm entfallen die Versandkosten. Anschließend wird daraus ein feines Garn gemacht. Kleidung aus Hundewolle herzustellen, habe eigentlich eine jahrhundertealte Tradition. Sie hätten dieses Thema einfach nur größer gedacht, erzählt Ann Cathrin Schönrock. Ihrer Recherche nach werden allein in Europa jedes Jahr mehr als 1000 Tonnen einfach weggeschmissen. Es handle sich um eine wertvolle Ressource, die bisher kaum genutzt werde. Besonders geeignet sind dafür alle Hunderassen mit viel Unterwolle wie Schäferhunde, Neufundländer, Bernhardiner, Collies, Chow Chows, Leonberger oder Bobtails.
An einem alten Webstuhl stellt Ann Cathrin Schönrock, die in Niederschöneweide wohnt, Musterstücke her. Sie arbeitet in einem Co-Working-Space in Friedrichshain.
Was ihr Unternehmen so besonders macht, ist die Verarbeitung des Rohstoffs. So entwickelte Co-Gründerin Franziska Uhl in Zusammenarbeit mit der Hochschule Reutlingen und dem Deutschen Faserinstitut eine Möglichkeit, aus der Hundewolle Industriegarn herzustellen. „Das ist patentfähig“, sagt Ann Cathrin Schönrock, die in Bielefeld Modedesign mit Schwerpunkt Strickdesign studiert hat. Aktuell seien sie weltweit die einzigen, die Chiengora dem Textilmarkt zugänglich machen können. Entsprechend viele Anfragen hätten sie bereits aus der Branche erhalten. „Es liegen schon Sachen mit unserem Garn in Showrooms in Paris und Japan“, berichtet die Gründerin. Vor drei Jahren zog sie aus Ostwestfalen in die Hauptstadt und fand in Niederschöneweide ihre neue Heimat, „weil es dort so schön grün ist“. In der Krossener Straße in Friedrichshain hat sie sich eine Teilfläche in einem Co-Working-Space gemietet. Dort arbeitet sie an Designs, stellt an einer Strickmaschine und einem alten Webstuhl Musterstücke her und kümmert sich um den Vertrieb. Ihre Geschäftspartnerin Franziska Uhl, die in Reutlingen arbeitet und für die Logistik zuständig ist, hat sie über das Internet und bei Mode-Events kennengelernt. Beide Frauen führten jeweils ein Online-Magazin und beschäftigten sich darin mit nachhaltigen Textilien in der Modeindustrie. Mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen sie sich gut.
Ann Cathrin Schönrock hat selbst einen Hund. Cocker Spaniel "Emma" leistet ihr am Arbeitsplatz Gesellschaft.
Die Idee zu ihrem Unternehmen entstand vor ungefähr drei Jahren. Damals beobachte Ann Cathrin Schönrock, die mit Cocker Spaniel „Emma“ selbst einen Hund hat, wie ihre Mutter bei der Pflege ihrer zwei Tibet-Terrier die ausgekämmte Unterwolle aufbewahrte. Sie fragte sich, ob sich daraus nicht ein Garn verspinnen ließe. Nach einigen Recherchen tauchte sie immer weiter in die Materie ein und baute sich mit ihrer Kollegin ein Netzwerk auf. Sie brachten immer mehr Menschen dazu, die Wolle zu sammeln, und forschten an der Herstellung des Garns. Im Frühjahr 2020 erhielten sie dann ein Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und konnten im darauffolgenden Winter rund 26.000 Euro per Crowdfunding generieren. Was zuvor noch ein Projekt war, ist inzwischen zu einem richtigen Modeunternehmen mit sechs Mitarbeitern geworden.
Kein Problem für Allergiker
Allergiker müssen sich im Übrigen keine Sorgen machen. Betroffene sind nicht gegen die Hundehaare an sich allergisch. Allergien werden lediglich durch die Verunreinigungen der Faser ausgelöst, zum Beispiel durch den Speichel der Tiere. Bei der Herstellung des Garns werden die Fasern jedoch mehrfach gereinigt, sodass der Stoff am Ende rein ist. Außerdem sind die Kleidungsstücke geruchsneutral und fühlen sich sehr weich an. Einziger Nachtteil ist der Preis. Das liegt daran, dass die Lieferkette komplett in Deutschland liegt. Für jede Einsendung spenden die Gründerinnen einen Betrag an Tierschutzorganisationen.
Im Schaufenster in der Krossener Straße 34 in Friedrichshain ist eine Auswahl der Kleidungsstücke aus Hundewolle zu sehen.
Mit ihrer Idee haben die beiden Frauen offenbar einen Nerv getroffen. Ann Cathrin Schönrock erinnert sich noch gut daran, wie ihr bei einer Messe eine Frau um den Hals gefallen ist. „Sie hat zu mir gesagt: ‚Endlich macht das mal jemand!‘“ Manche Kunden würden die Wolle nur deshalb sammeln, um nach dem Tod ihres Hundes ein Andenken, zum Beispiel in Form eines Pullis, zu haben. „Manche erfüllen sich damit einen Traum. Das hat einen großen emotionalen Wert.“
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