Nachhaltige Mode aus Hundewolle
Zwei Unternehmerinnen retten einen wertvollen Rohstoff vor der Mülltonne

Ann Cathrin Schönrock (rechts) und Franziska Uhl gründeten Ende 2020 ihr Unternehmen Yarnsustain. Ausgekämmte Hundewolle machen sie zu einem Garn, aus dem Pullis, Mützen und vieles mehr gestrickt werden können. | Foto: Yarnsustain/Stephanie Braun
8Bilder
  • Ann Cathrin Schönrock (rechts) und Franziska Uhl gründeten Ende 2020 ihr Unternehmen Yarnsustain. Ausgekämmte Hundewolle machen sie zu einem Garn, aus dem Pullis, Mützen und vieles mehr gestrickt werden können.
  • Foto: Yarnsustain/Stephanie Braun
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

„Wir stellen ein Nischenprodukt her – und das wird auch immer so bleiben“, meint Ann Cathrin Schönrock. Allerdings ist es ein Nischenprodukt mit großem Potenzial. Gemeinsam mit Textilingenieurin Franziska Uhl gründete die Wahlberlinerin Ende 2020 die „Yarnsustain Schönrock Uhl GmbH“. Das junge Unternehmen hat sich auf die Herstellung von Chiengora (Garn aus Hundewolle) spezialisiert.

Daraus werden auch Produkte gefertigt, die ab September im Onlineshop zu finden sind, zum Beispiel Mützen und Schals, Socken, Strickjacken und Kissen. Das Prinzip ist einfach. Wer seinem Hund das Fell pflegt, sammelt die sich dabei ablösende Wolle, anstatt sie im Hausmüll zu entsorgen. Diese ausgekämmte Unterwolle wird per Post an das Unternehmen geschickt oder in einer Sammelstelle abgegeben. Ab 500 Gramm entfallen die Versandkosten. Anschließend wird daraus ein feines Garn gemacht. Kleidung aus Hundewolle herzustellen, habe eigentlich eine jahrhundertealte Tradition. Sie hätten dieses Thema einfach nur größer gedacht, erzählt Ann Cathrin Schönrock. Ihrer Recherche nach werden allein in Europa jedes Jahr mehr als 1000 Tonnen einfach weggeschmissen. Es handle sich um eine wertvolle Ressource, die bisher kaum genutzt werde. Besonders geeignet sind dafür alle Hunderassen mit viel Unterwolle wie Schäferhunde, Neufundländer, Bernhardiner, Collies, Chow Chows, Leonberger oder Bobtails.

An einem alten Webstuhl stellt Ann Cathrin Schönrock, die in Niederschöneweide wohnt, Musterstücke her. Sie arbeitet in einem Co-Working-Space in Friedrichshain. | Foto: Philipp Hartmann
  • An einem alten Webstuhl stellt Ann Cathrin Schönrock, die in Niederschöneweide wohnt, Musterstücke her. Sie arbeitet in einem Co-Working-Space in Friedrichshain.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Aus Hundewolle wird Industriegarn

Was ihr Unternehmen so besonders macht, ist die Verarbeitung des Rohstoffs. So entwickelte Co-Gründerin Franziska Uhl in Zusammenarbeit mit der Hochschule Reutlingen und dem Deutschen Faserinstitut eine Möglichkeit, aus der Hundewolle Industriegarn herzustellen. „Das ist patentfähig“, sagt Ann Cathrin Schönrock, die in Bielefeld Modedesign mit Schwerpunkt Strickdesign studiert hat. Aktuell seien sie weltweit die einzigen, die Chiengora dem Textilmarkt zugänglich machen können. Entsprechend viele Anfragen hätten sie bereits aus der Branche erhalten. „Es liegen schon Sachen mit unserem Garn in Showrooms in Paris und Japan“, berichtet die Gründerin. Vor drei Jahren zog sie aus Ostwestfalen in die Hauptstadt und fand in Niederschöneweide ihre neue Heimat, „weil es dort so schön grün ist“. In der Krossener Straße in Friedrichshain hat sie sich eine Teilfläche in einem Co-Working-Space gemietet. Dort arbeitet sie an Designs, stellt an einer Strickmaschine und einem alten Webstuhl Musterstücke her und kümmert sich um den Vertrieb. Ihre Geschäftspartnerin Franziska Uhl, die in Reutlingen arbeitet und für die Logistik zuständig ist, hat sie über das Internet und bei Mode-Events kennengelernt. Beide Frauen führten jeweils ein Online-Magazin und beschäftigten sich darin mit nachhaltigen Textilien in der Modeindustrie. Mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen sie sich gut.

Ann Cathrin Schönrock hat selbst einen Hund. Cocker Spaniel "Emma" leistet ihr am Arbeitsplatz Gesellschaft. | Foto: Philipp Hartmann
  • Ann Cathrin Schönrock hat selbst einen Hund. Cocker Spaniel "Emma" leistet ihr am Arbeitsplatz Gesellschaft.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Stipendium und Crowdfunding

Die Idee zu ihrem Unternehmen entstand vor ungefähr drei Jahren. Damals beobachte Ann Cathrin Schönrock, die mit Cocker Spaniel „Emma“ selbst einen Hund hat, wie ihre Mutter bei der Pflege ihrer zwei Tibet-Terrier die ausgekämmte Unterwolle aufbewahrte. Sie fragte sich, ob sich daraus nicht ein Garn verspinnen ließe. Nach einigen Recherchen tauchte sie immer weiter in die Materie ein und baute sich mit ihrer Kollegin ein Netzwerk auf. Sie brachten immer mehr Menschen dazu, die Wolle zu sammeln, und forschten an der Herstellung des Garns. Im Frühjahr 2020 erhielten sie dann ein Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und konnten im darauffolgenden Winter rund 26.000 Euro per Crowdfunding generieren. Was zuvor noch ein Projekt war, ist inzwischen zu einem richtigen Modeunternehmen mit sechs Mitarbeitern geworden.

Kein Problem für Allergiker

Allergiker müssen sich im Übrigen keine Sorgen machen. Betroffene sind nicht gegen die Hundehaare an sich allergisch. Allergien werden lediglich durch die Verunreinigungen der Faser ausgelöst, zum Beispiel durch den Speichel der Tiere. Bei der Herstellung des Garns werden die Fasern jedoch mehrfach gereinigt, sodass der Stoff am Ende rein ist. Außerdem sind die Kleidungsstücke geruchsneutral und fühlen sich sehr weich an. Einziger Nachtteil ist der Preis. Das liegt daran, dass die Lieferkette komplett in Deutschland liegt. Für jede Einsendung spenden die Gründerinnen einen Betrag an Tierschutzorganisationen.

Im Schaufenster in der Krossener Straße 34 in Friedrichshain ist eine Auswahl der Kleidungsstücke aus Hundewolle zu sehen. | Foto: Philipp Hartmann
  • Im Schaufenster in der Krossener Straße 34 in Friedrichshain ist eine Auswahl der Kleidungsstücke aus Hundewolle zu sehen.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Mit ihrer Idee haben die beiden Frauen offenbar einen Nerv getroffen. Ann Cathrin Schönrock erinnert sich noch gut daran, wie ihr bei einer Messe eine Frau um den Hals gefallen ist. „Sie hat zu mir gesagt: ‚Endlich macht das mal jemand!‘“ Manche Kunden würden die Wolle nur deshalb sammeln, um nach dem Tod ihres Hundes ein Andenken, zum Beispiel in Form eines Pullis, zu haben. „Manche erfüllen sich damit einen Traum. Das hat einen großen emotionalen Wert.“

Weitere Informationen gibt es auf modusintarsia.com.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 539× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 827× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 805× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.185× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.