DDR-Museum-Kurator Sören Marotz sicherte sich vier Mauerteile in Niederschönhausen
Niederschönhausen. Sie erinnern nur noch an wenigen Stellen in der Stadt an die Teilung Berlins: Segmente der Berliner Mauer.
Oft sind sie Touristenattraktion, wie zum Beispiel die East-Side-Gallery. Oder sie blieben als Mahnung erhalten, wie an der Bernauer Straße. Aber manchmal erkennt der Laie sie auch gar nicht mehr als Mauersegmente. Denn sie werden auch von Firmen des Baustoffhandels als Abtrennung von Schüttgut verwendet. Und im Berliner Umland nutzen landwirtschaftliche Betriebe frühere Mauersegmente als Stützelemente für Stallanlagen.
Weil es aber immer weniger gut erhaltene Mauersegmente gibt, haben diese inzwischen auch für Museen einen Wert. Vier Mauersegmente sicherte sich kürzlich das DDR-Museum mit Sitz in der Karl-Liebknecht-Straße 1. Für sein Museum entdeckt hat sie dessen Ausstellungsleiter Sören Marotz. Er wohnt in Pankow und ist dort häufig mit dem Fahrrad unterwegs. Die Segmente standen, gemeinsam mit etwa 60 weiteren auf einer Fläche an der Ecke Wackenberg- und Grumbkowstraße. An dieser Stelle befand sich viele Jahre ein Betonwerk, das die Mauerteilen zur Abtrennung von Schüttgut nutzte.
Auf der Fläche begann inzwischen eine Baufirma, 68 Doppelhaushälften zu errichten. Um Baufreiheit zu schaffen, wurden die Segmente bereits verschoben. Durch Zufall wurde Sören Marotz darauf aufmerksam, als er an der Baustelle vorbeifuhr. „Mir kam sofort der Gedanke, dass wir solche Mauersegmente für unser Museum sichern sollten“, so der Ausstellungsleiter. „Denn wenn die Teile erst einmal weg sind, wer weiß, ob man noch einmal so ohne Weiteres an sie herankommt.“
Marotz nahm Kontakt zum Bauleiter auf. Der hatte nichts dagegen, dass sich dass DDR-Museum einige der Teile sichert, ehe sie an andere Interessenten gehen oder geschreddert werden. So markierte der Ausstellungsleiter vier besonders gut erhaltene. Vor wenigen Tagen wurden diese auf einen Tieflader gehievt und in das Depot des DDR-Museums gebracht.
„Wo genau diese Mauersegmente einst in der Grenzanlage standen, ist bisher unklar“, sagt Sören Marotz. Weil sie zuletzt in Niederschönhausen standen, ist aber zu vermuten, dass sie früher an der Grenze des Bezirks Pankow aufgestellt waren. Nachdem die Mauer Anfang der 90er-Jahre sukzessive abgebaut wurde, seien viele Segmente zunächst im Pankower Süden zwischengelagert worden, berichtet Sören Marotz.
Die Mauersegmente, die in den letzten Jahren der DDR in Berlin standen, wurden seit 1975 gefertigt. Die alte Mauer war den Regierenden zu wartungsaufwendig und nicht mehr formschön genug. An die neuen Mauerteile wurden deshalb spezielle Anforderungen gestellt. Sie sollten standfest, witterungsbeständig, wartungsfrei und einfach zu montieren sein. Die DDR-Grenztruppen sollten sie selbst ohne zusätzliches Personal aufstellen können.
Nach mehreren Tests fiel die Wahl schließlich auf den Mauersegment-Typ UL 12.41. Dieser erfüllte alle Vorgaben. Er war 3,60 Meter hoch und 1,20 Meter breit. Die Teile konnten vor Ort miteinander verschweißt. Oben wurde eine Rohrauflage aus Asbestbeton aufgelegt, und jedes Segment war mit etwa 831 DDR-Mark sowie 168 DDR-Mark für die Rohrauflage relativ preiswert. Hergestellt wurden die Mauersegmente im VEB Baustoffkombinat Neubrandenburg, die Rohraufalgen im VEB Asbestzementwerk Magdeburg. Bis 1985 wurde die „Grenzmauer 75“ um ganz West-Berlin als Ersatz für die alten Grenzsicherungsanlagen aufgebaut.
Nach dem 9. November 1989 machten sich dann zunächst Mauerspechte daran, Löcher in die Mauer zu picken. Schon bald wurden einzelne Segmente herausgenommen. Aber der Abbau der kompletten Berliner Mauer, bis auf die bewusst erhaltenen Teilstücke, dauerte dann noch viele Monate. Heute befinden sich Mauersegmente als Sammler- und Erinnerungsstücke in vielen Teilen der Welt – und nun auch im Depot des erst 2006 gegründeten DDR-Museums. BW
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.