Bei Winklers schnuppert man Manegen-Luft
Ehepaar hat ein Archiv voller Zirkusgeschichte(n)
Dietmar und Gisela Winkler sind absolute Experten, wenn es um das Thema Zirkus und Varieté geht. Die beiden 77-Jährigen haben über Jahrzehnte Europas umfangreichstes Zirkus-Archiv aufgebaut. Dieses umfasst etwa 10 000 Bücher aus aller Welt zu den Themen Zirkus, Varieté und Volksfeste.
Weiterhin finden sich in der Sammlung zweitausend Zeitschriften aus 20 Ländern, zehntausend Programmhefte aus rund 50 Ländern, 25 000 Fotos, Plakate, Zeitungsausschnitte, Videos, DVDs, Souvenirs und Spielzeuge. „All das ist für uns Grundlage für eigene Forschungen und auch eigene Publikationen“, sagt Dietmar Winkler. „Wir haben bisher 25 Bücher zur Zirkusgeschichte verfasst und an zahlreichen Publikationen mitgearbeitet.“
Doch für die Winklers ist das riesige Zirkusarchiv kein Selbstzweck. Ein wichtiger Bestandteil ihrer ehrenamtlichen Archivarbeit ist, dass sie auch Studierende, Journalisten und Künstler beraten und ihnen eine Einsicht und ein Arbeiten in ihrem Archiv ermöglichen. Studierende, die für Arbeiten im Archiv recherchieren, kommen aus allen möglichen Fachrichtungen. So interessieren sich einige für Zirkus- und Varieté-Darstellungen in der Bildenden Kunst. Andere nehmen die Reisetätigkeit der Artisten und Dompteure in den Fokus und wieder andere interessieren sich aus Sicht der Architektur für dieses Thema.
Dass sich die Winklers dem Thema Zirkus und dem Aufbau dieses umfangreichen Archivs verschrieben, hat seine Gründe. „Ich interessiere mich von Kindesbeinen an für Zirkus“, sagt Dietmar Winkler. Er sei in einer kleinen Stadt im Erzgebirge aufgewachsen. „Bei uns gastierten viele kleine Zirkusse. Die kamen nicht bis in die Hauptstadt Berlin. Sie schlugen in den vielen kleinen Städten im ganzen Land ihre Zelte auf.“
Schon als Kind
Programmhefte gesammelt
Schon als Kind begann Winkler, Programmhefte von Vorstellungen zu sammeln. Später studierte er an der Verkehrshochschule in Dresden, war dann bei der Post und wurde schon bald Abteilungsleiter. Der Zirkus ließ ihn aber nie los. Dieses Interesse brachte ihn in den 1970er-Jahren auch mit seiner Frau Gisela zusammen. Diese war beim Berliner Hentschel Verlag für die Unterhaltungskunst zuständig. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten Publikationen über das Thema Zirkus. Der Verlag gab auch die Zeitschrift „Unterhaltungskunst“ heraus. Und Dietmar Winkler schrieb für sie Zirkus-Rezensionen.
Anfang der 80er-Jahre richtete der ehemalige DDR-Staatszirkus eine Abteilung Öffentlichkeitsarbeit ein. Der Staatszirkus bestand seinerzeit im Kern aus den Unternehmungen Berolina, Busch und Aeros. Die Zirkusse tourten durch die ganze Welt. „Es wurde ein Pressesprecher gesucht und man fragte mich, ob ich mir das vorstellen könnte. 1982 übernahm ich die Leitung der Pressestelle des Staatszirkus“, so Dietmar Winkler.
Seitdem saß er an der Materialquelle. Er bekam alles in die Hände, was an Gedrucktem oder Fotografiertem für die Zirkusse entstand. Natürlich pflegte er enge Kontakte zu Zirkuskünsten aller Art. Sein Job ermöglichte ihm auch, mit Zirkussen in anderen Ländern in Kontakt zu treten. Und so konnten die Winklers im Laufe der Jahrzehnte ein umfangreiches Archiv aufbauen, das es summa summarum seit nunmehr 60 Jahren gibt.
Archiv wächst weiter
Dass das Zirkusarchiv stetig weiter wächst, hat zwei Hauptursachen. Zum einen wissen viele Zirkus- und Varieté-Künstler vom Archiv der Winklers und überlassen diesem ihren Nachlass zu treuen Händen. Zum anderen haben die Winklers viele Archivalien in mehrfacher Ausfertigung, sodass sie auch mit privaten Sammlern in Tauschkontakt stehen.
Derzeit arbeitet Dietmar Winkler übrigens an einem Projekt, das ihm sehr am Herzen liegt. Er möchte einen kleinen Band zur Geschichte der Familie Skladanowski herausgeben und recherchiert derzeit zum Leben des Bruders von Max Skladanowski. „Emil Skladanowski war Clown und auch kurzzeitig mit einer Artistin verheiratet“, berichtet Dietmar Winkler.
Das Interesse an den Skladanowskis kommt nicht von ungefähr. Die Winklers wohnen und haben ihr Arciv nämlich in der Waldowstraße 28. In diesem Haus wohnte Jahrzehnte vor ihnen mit Max Skladanowsky (1863-1939) einer der zu seiner Zeit bekanntesten Varietékünstler Berlins. Gemeinsam mit seinem Bruder Emil entwickelte er das Biocop. Mit diesem „filmten“ sie Ende des 19. Jahrhunderts die ersten bewegten Bilder. Später traten sie im Varieté Wintergarten auf und zeigten dort ihre Kurzfilme. Eine Berliner Gedenktafel am Haus erinnert heute an Max Skladanowsky. „Viele Jahre lebten wir noch mit Skladanowskys Tochter im Haus“, berichtet Dietmar Winkler. Als sie starb, hinterließ sie den Winklers auch etliche Erinnerungsstücke.
Weitere Informationen zum Zirkusarchiv der Winklers gibt es online auf www.circusarchiv.de.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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