Schwanenwerder - ein Spiegelbild deutscher Geschichte

Auf dem höchsten Punkt, Inselstraße 37, steht der Schwanenhof, das heute älteste Gebäude der Insel. | Foto: Kahle
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Nikolassee. Der Weg ist frei für eine mögliche Vermarktung der letzten beiden unbebauten Grundstücke auf Schwanenwerder. Das teilte Norbert Schmidt (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung, der Berliner Woche mit.

"Wir haben de Ko-Bedingungen für eine mögliche Vermarktung durch den Liegenschaftsfonds aus dem Wege geräumt", sagte Schmidt. "Für den Fall einer möglichen Bebauung wurden endlich Ausgleichsflächen für die bewaldeten Grundstücke gefunden. Sie befinden sich im Bezirk Lichtenberg", so der Stadtrat. Gleich nach der Sommerpause würden interne Gespräche mit dem Liegenschaftsfonds, dem Bürgermeister und den Fraktionen der BVV geführt, denn Plangeber sei die BVV. Schmidt rechnet noch mit einer Entscheidung bis Herbst.

Schwanenwerder war von jeher eine äußerst begehrte Adresse. Das 250 000 Quadratmeter große Eiland ist fast komplett mit Villen bebaut. Namenschilder sucht man zumeist vergebens. Ein Zugang zum Ufer ist für die Öffentlichkeit nicht möglich. Erschlossen ist die Insel durch eine Brücke und eine oval verlaufende Einbahnstraße.

Die Entwicklung zur Villenkolonie begann 1882. Der Fabrikant Friedrich Wilhelm Wessel erwarb die Insel für 27 000 Reichsmark. Er ließ sie erschließen und parzellieren. Auf dem höchsten Punkt, Inselstraße 37, ließ die Familie den Schwanenhof errichten, heute das älteste Gebäude der Insel. Die hieß damals noch Cladower Sandwerder. 1901 erfolgte auf Initiative der Wessels die Umbenennung in Schwanenwerder durch Kaiser Wilhelm II. Im Kaiserreich war Schwanenwerder ein Refugium Berliner Industrieller und Bankiers. In der Weimarer Republik ließen sich vor allem wohlhabende jüdische Familien nieder. Doch nach 1933 folgte die Naziprominenz.

So kaufte 1936 Propagandaminister Joseph Goebbels das Landhaus des Bankdirektors Oscar Schlitter, Inselstraße 8-10. Drei Jahre später erwarb er für einen Spottpreis auch das Nachbargrundstück des jüdischen Bankiers Samuel Goldschmidt. Auch Hitlers Leibarzt Theodor Morell wohnte ab 1939 hier. Durch sogenannte Arisierung fiel der Besitz des jüdischen Bankiers Georg Solmssen an ihn. Das Nachbargrundstück Inselstraße 20/22 wurde 1939 von der Reichskanzlei erworben und soll für Hitler persönlich reserviert gewesen sein. 1939 musste die Baronin Goldschmidt-Rothschild ihr Grundstück, Inselstraße 7, für 150 000 Mark an Albert Speer abtreten An der Inselstraße 38, entstand die so genannte Reichsbräuteschule für Verlobte von SS- und NSDAP-Funktionären.

Doch es gab auch Widerstand. An der Schwanenwerderbücke, die die Insel mit dem Festland verbindet, plante einst der Ingenieur Hans-Heinrich Kummerow, Mitglied der Widerstandsgruppe Roten Kapelle, 1942 ein Attentat auf Goebbels. Doch er wurde enttarnt und 1944 vom NS-Regime hingerichtet.

In den letzten Kriegstagen wurde Schwanenwerder von russischen Soldaten besetzt. Es kam zu Plünderungen. Am 4. Juli 1945 ging die Inselverwaltung an die Amerikaner über. Hohe amerikanische Militärs bereiteten auf dem Anwesen des Chemie-Industriellen Baginski, Erfinder der Spalt-Tablette, die Potsdamer Konferenz vor. Später wohnte in der Villa an der Inselstraße 16 der US-General Lucius D. Clay, der Organisator der Luftbrücke. Diese wurde 1948 von Schwanenwerder aus logistisch geplant. Dort befand sich damals auch eine wichtige Landestation für Wasserflugzeuge.

Die während des II. Weltkrieges weitgehend verschonte Insel wurde nach Kriegsende jahrelang vernachlässigt. Ende der 1940er Jahre wurden Häuser und Grundbesitz in Wiedergutmachungsverfahren den rechtmäßigen Besitzern oder ihre Erben zurückgegeben. Die meisten verkauften ihre Immobilien an das Land Berlin. Zeitweilig befanden sich rund 40 Prozent der Insel im Besitz des Landes. In den 1950er bis 1970er Jahren wurden viele Villen abgerissen und Neubaupläne genehmigt.

Öffentlich zugänglich sind heute lediglich die Evangelische Bildungstätte, Inselstraße 27/28, und das Jugendgästehaus, Inselstraße 22. Vor der Inselstraße 8 steht eine unter Denkmalschutz stehende Säule des zerstörten Pariser Stadtpalais Tuileries, der von Wessel 1882 erworben und hierher gebracht wurde. Unweit davon erinnern gläserne Info-Tafeln an die Geschichte der Insel und ihrer von den Nazis vertriebenen jüdischen Bewohner.

Michael Kahle / m.k.
Autor:

Michael Kahle aus Mitte

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