Mit Ideenreichtum gegen die Schließung
Dirk Sarnoch kämpft für das Fortbestehen seiner Buchhandlung „Werk 116“
Die Corona-Krise sorgte dafür, dass viele Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht und gelesen haben. Für die Buchhandlungen war das ein gutes Geschäft, doch das ist schon länger wieder vorbei. Inzwischen kämpfen viele ums Überleben. Auch die Buchhandlung „Werk 116“ am Königsplatz in der Wilhelminenhofstraße 88 befindet sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation.
„In den vergangenen Monaten war es wirklich eng“, berichtet Inhaber Dirk Sarnoch. „Seit dem vergangenen Jahr merkt man, dass die Leute ihr Geld zusammenhalten. Ich habe mit mehreren Buchhändlern gesprochen. Die sagen alle, die Reserven sind langsam aufgebraucht.“ Sein eigenes Geschäft bildet da keine Ausnahme. „Meine Stammkunden kommen noch, geben aber weniger Geld aus. Wer früher zwei Bücher holte, nimmt jetzt nur noch eins.“ Zudem sind die Aussichten für 2024 ebenfalls nicht rosig. „Die Logistiker haben schon angedroht, dass sie preislich noch mal was draufpacken“, erzählt der 58-Jährige.
Der Letzte im Kiez
Dirk Sarnoch hat die 1998 eröffnete Buchhandlung, die sich anfangs vor allem durch Reiseführer und Wanderkarten einen Namen machte, im Dezember 2013 übernommen. Zuvor war er unter anderem Schlosser und später als Haushandwerker tätig. Er habe sich nach der Übernahme erst einmal einarbeiten müssen, erinnert er sich. „Nach fünf Jahren hatte ich zum ersten Mal das Gefühl: Jetzt kann ich’s.“ In Oberschöneweide ist „Werk 116“ heute die einzige verbliebene Buchhandlung. Vor mehr als zehn Jahren habe es im Kiez noch eine gegeben. Die habe aber damals auch schon aus wirtschaftlichen Gründen schließen müssen, blickt er zurück. Am nächsten liege heute die Buchhandlung Kaim im Zentrum Schöneweide auf der anderen Spreeseite.
Der globale Erfolg des Onlinehändlers Amazon hat in den vergangenen Jahren zahlreiche kleine Buchhandlungen zum Aufgeben gezwungen. Sauer ist Dirk Sarnoch deswegen allerdings nicht. „Das hat alles seine Berechtigung“, sagt er. Amazon habe einfach ein geniales Konzept. Problematisch findet er viel mehr, dass es der Deutsche Buchhandel bis heute nicht geschafft habe, vernünftig zu kommunizieren und die Menschen über die Buchpreisbindung aufzuklären. Die schreibt den Verlagen gesetzlich vor, für jedes Buch einen unveränderbaren Preis festzusetzen. Das bedeutet: Ganz egal, wo ein Buch gekauft wird, es kostet überall gleich. Das sei vielen bis heute nicht bekannt, so Sarnoch. Noch immer seien deshalb viele Bücherfreunde der Meinung, sie könnten mit Bestellungen im Internet Geld sparen. Außerdem könnten die Buchhandlungen Amazon auch in Sachen Geschwindigkeit schlagen. Wer bei ihm bis 17 Uhr ein Buch bestellt, könne dieses bereits am darauffolgenden Morgen in Empfang nehmen. „Amazon braucht da einen Tag länger“, betont Sarnoch.
Erfolgreiche Gutschein-Aktion
In den vergangenen zwei Monaten habe er sich selbst kein Geld mehr auszahlen können. Auch mit der Miete wurde es knapp. „Ich hätte einpacken können. Ich habe kein Polster.“ Die vorübergehende Rettung brachte eine Gutschein-Aktion, die Dirk Sarnoch Anfang November ins Leben rief. Wer einen 100-Euro-Gutschein bei ihm kaufte, bekam eine Elektropolis-Führung dazu. Bei diesen Führungen, die er manchmal für den Industriesalon Schöneweide macht, berichtet Dirk Sarnoch über die industrielle Vergangenheit des Ortsteils. „Es war ein Test, ob uns die Kunden noch wollen“, sagt der Händler, der von einer Angestellten und zwei Aushilfen unterstützt wird. „Wir waren wirklich überrascht von der Resonanz. In den ersten Tagen ging es hier zack, zack!“ Weit mehr als seine Zielmarke von 45 Gutscheinen verkaufte bis zum Ende der Aktion Ende November. „Das zeigt uns, es lohnt sich weiterzumachen.“
Von den Krediten der Kunden zu leben, darauf könne er sich aber nicht ausruhen. „Wir sind am Überlegen, was wir noch machen können. Wir brauchen weitere Ideen.“ Eine hat er schon. So will er als Event exklusiv für seine Stammkunden ab Mitte Januar Übernachtungen im Buchladen anbieten. „Wir stellen ein Bett hier rein. Es gibt eine Flasche Wasser, eine Flasche Wein und einen Gutschein für ein Frühstück beim Bäcker hier.“ Das habe er schon ausprobiert und ein positives Feedback bekommen.
Schulen als Kunden wären gut
Eine große Hilfe wäre es für die Zukunft, wenn die Schulen ihre Schulbücher bei den Kiezbuchhandlungen bestellen würden. Bei drei Grundschulen in Oberschöneweide wäre das ein Auftragsvolumen, das dem "Werk 116" nach Abzug aller Kosten Einnahmen von schätzungsweise einer Monatsmiete einbringen könnte. Bisher sei er mit seinen Kontaktaufnahmen aber erfolglos gewesen, bedauert Dirk Sarnoch. „In Neukölln gibt es ein paar Schulen, die beim Buchhändler um die Ecke kaufen. Das weiß ich. Bei uns kaufen die Grundschulen leider bis heute nicht ein.“
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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