Erich Grahl wurde mit der Willy-Brandt-Medaille geehrt
Das ist die höchste Auszeichnung, die von der SPD vergeben wird. "Wir sind stolz auf Genossen wie Erich Grahl, die wegen ihrer politischen Haltung sogar ins Gefängnis kamen und trotzdem der SPD treu geblieben sind", sagt der Treptow-Köpenicker Kreisvorsitzende Oliver Igel.
Der Geehrte ist waschechter Berliner, geboren im Hubertus-Krankenhaus (heute Oskar-Ziethen-Krankenhaus) in Lichtenberg. Grahl wuchs in Friedrichshagen auf. "Dort trat ich im November 1950 in die SPD ein. Vorbild war mein Vater, der 1946 gegen die Zwangsvereinigung mit den Kommunisten gestimmt hatte", erzählt Grahl.
Der gelernte Bäcker musste aus gesundheitlichen Gründen den Beruf wechseln, ging zur BVG und arbeitete erst als Schaffner, später dann als Straßenbahnfahrer. Sein Engagement für die SPD, die bis zum Mauerbau im Osten Berlins Kreisbüros betreiben konnte, war bekannt. "Mehrmals haben Funktionäre versucht, mich für die SED zu werben. Die Gespräche waren aber schnell beendet", sagt Grahl.
Mit dem Mauerbau wurden die SPD-Büros von den DDR-Behörden geschlossen. Die Mitgliederlisten waren von den Kreisbüros bereits vernichtet worden, damit sie nicht in die Hände der Stasi fallen. "Wir wurden durch das Ostbüro der SPD von allen Verpflichtungen entbunden, aber als beitragsfrei gestellte Mitglieder weitergeführt", erinnert sich Erich Grahl.
Beim Vorstand hatte man die Mitglieder auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs aber nicht vergessen. Paten im Westen Deutschlands sollten Kontakt in den Osten halten. Im November 1961 bekam Grahl Post aus Hiddenhausen, einer Gemeinde bei Bielefeld. Eine Familie Meier schrieb, dass sie ihn gern kennenlernen würde. Auch die anderen Köpenicker Sozialdemokraten hatten inzwischen Post aus dem Westen Deutschlands bekommen.
Bis zum Ende der SED-Diktatur wurde so Kontakt gehalten. Dörle Meier kam sogar mehrmals zu Besuch. Das wurde Erich Grahl 1972 zum Verhängnis. Anfang des Jahres wurde er von der Straße weg verhaftet, zur Klärung eines Sachverhalts, wie das in der DDR hieß. Sofort landete er bei der Staatssicherheit in der Normannenstraße, dann in U-Haft in Hohenschönhausen. Erich Grahl: "Wegen Sammlung von Nachrichten bekam ich dann zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis. Ich habe in Rummelsburg und Cottbus gesessen, kam aber im Dezember 1972 durch eine Amnestie frei."
Seiner Partei hat er trotz dieser schlimmen Erfahrung nicht die Freundschaft gekündigt. Als in der Wendezeit 1989 eine eigene Sozialdemokratische Partei in der DDR gegründet wurde, war er allerdings skeptisch. Auf Nachfrage beim SPD-Landesvorstand in der Müllerstraße erfuhr er aber, dass die Vereinigung mit ihr kurz bevorstand. "Ich war dann natürlich wieder dabei", sagt Grahl.
Seit 1995 ist Grahl, der jetzt in Oberschöneweide lebt, Rentner, hat mehrere Jahre bis zu ihrem Tod seine kranke Frau gepflegt. Sein fast 65 Jahre dauerndes Engagement für die SPD hat er bisher nicht bereut. "Ich bin nicht mit allem einverstanden, aber auch unter Demokraten gibt es unterschiedliche Auffassungen. So denke ich, der aktuelle Koalitionsvertrag ist mit heißer Nadel gestrickt und habe deshalb bei der Mitgliederbefragung nur mit Bauschmerzen der großen Koalition zugestimmt. Die Auszeichnung mit der Willy-Brandt-Medaille hat mich völlig überrascht", sagt Erich Grahl.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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