„Bau-Verhinderungs-Geschichten“ - Teil 3: Die Elisabeth-Aue
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Pankow. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Landesregierung ist es 2016 verankert worden: Die landeseigene Wohnungsbaupotenzialfläche Elisabeth-Aue im Bezirk Pankow wird bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 nicht bebaut. Eine leider schon typische Berliner Bau-Verhinderungs-Geschichte a la Rot-Rot-Grün.
Der frühere SPD-CDU-Senat hatte kurz vor den damaligen Neuwahlen das 70 Hektar große, landwirtschaftlich genutzte Areal nebst angrenzender Verkehrsflächen angesichts des dringend benötigten Wohnraums für die wachsende Stadt noch zu einem Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung erklärt. Am 1. Juni 2015 wurde im Rathaus Pankow zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften HOWOGE und GESOBAU sogar eine gemeinsame Absichtserklärung zur "Entwicklung des Plangebietes Elisabeth-Aue in Berlin-Pankow zu einem neuen Stadtteil für vielfältiges Wohnen und dazugehörige Ergänzungsnutzungen" unterzeichnet. Zwischen 7000 und 12 000 Bewohner*innen aus unterschiedlichen Zielgruppen und Einkommensschichten auf dem Acker westlich von Französisch-Buchholz hätten in bis zu 5000 Wohnungen eine neue Heimat finden sollen.
Auch die restlichen Säulen der Absichtserklärung waren klar zum Vorteil der Allgemeinheit errichtet worden. Das Quartier hätte einen hohen Grünflächenanteil bekommen sollen, basierend auf den Ideen des Gartenstadtmodells, angepasst an die Herausforderungen und Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts. Die Qualität der benachbarten Wohngebiete hätten parallel zur neuen Entwicklung wachsen, die Verbindung zwischen "Alt und Neu" durch die Errichtung von sozialen und kulturellen Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten, Freizeiteinrichtungen sowie Begegnungsstätten für Jung und Alt gestärkt werden sollen.
Mit der Errichtung des Quartiers wäre auch die Anbindung der Elisabeth-Aue und deren Umgebung an den öffentlichen Nahverkehr verbessert worden, auch ergänzende Nahversorgungseinrichtungen und die Integration ungedeckter Sportflächen standen unter anderem auf der Agenda.
Als mögliche leistungsfähige ÖPNV-Anbindungsoptionen für die Aue wurden Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit einer Verlängerung sowohl der bisher in unmittelbarer Nachbarschaft endenden Straßenbahnlinie 50, als auch der Straßenbahnlinie M 1 untersucht. Das Investitionsvolumen für die Realisierung der beiden Vorzugsvarianten wurde auf 37,4 Millionen Euro beziffert, die Machbarkeit aus technischer und gestalterischer Hinsicht konnte nachgewiesen werden. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ergab, dass der verkehrliche Nutzen der Maßnahme die notwendigen Investitionskosten deutlich übersteigen würde.
Eine Wohnbebauung mit Hand und Fuß, möchte man meinen. Doch im Bezirksparlament Pankows fand der Neubau auf dem Acker ohnehin noch nie besonders viele Befürworter und die Rot-Rot-Grüne Landesregierung legte die Bebauung dann schließlich komplett auf Eis. Zum Wohlgefallen der Bündnisgrünen, die dem knappen Wohnraum lieber mit der Verdichtung im innerstädtischen Bereich begegnen wollen als mit Neubau am Ortsrand. Der Koalitionspartner Die Linke steht jedoch bei dieser Lösung quer. Die Elisabeth-Aue wollen die Grünen zudem als „wichtige Kaltluftschneise“ erhalten wissen.
Die SPD goutiert nach einem Bericht der Morgenpost vom 4.12.2019 den Planungsstopp bis heute, weil der Bezirk aktuell mit 21 000 neu entstehenden Wohnungen „am Limit“ sei. „Wir haben schon zwölf Quartiere in Planung. Und wir sind dabei nicht annähernd so weit gekommen, wie wir sein wollten“, wird Pankows SPD-Fraktionschef Roland Schröder zitiert, er befürchte „eine totale Überforderung durch zu viele Projekte“. Wie in vielen Bezirken jubilierte auch in Pankow ein Zusammenschluss von Anwohnern über das „Moratorium“ des Senats, wie es die Linken im Bezirksparlament formulierten. Die Bürgerinitiative Elisabeth-Aue hatte massiv gegen die Neubau-Pläne protestiert.
Mittlerweile hat sich die öffentliche Stimmungslage offenbar gewandelt. Eine Handvoll Vereine und Initiativen aus Buchholz macht sich für eine Neubebauung des Ackers stark, wenn auch nicht für deren ursprünglich geplanter Wohnungsanzahl. Im Frühjahr 2019 brachten sie eine abgespeckte Version einer Wohnbebauung auf das Tapet: 600 Wohnungen, eine Oberschule, ein Kleingartenpark und ein Naturschutzgebiet. Laut Morgenpost lehnte rot-grün-rote Zählgemeinschaft selbst diese Idee ab, auch das Gymnasium, solange es an eine zusätzliche Wohnbebauung gekoppelt sei.
Noch ist die Elisabeth-Aue im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche festgeschrieben. Die Grünen und die Linken hätten sie aber am liebsten dem Landschaftsschutz zugeordnet und damit dauerhaft von jeglicher Bebauung freigehalten. Auch wenn sich wohl bis 2030 ohnehin erst einmal nichts tun wird auf dem Areal: Für die Befürworter einer Wohnbebauung auf der Fläche und Wohnungssuchende werden die Wahlen im kommenden Jahr von enormer Bedeutung sein. Bleibt Rot-Rot-Grün auf Landesebene am Ruder, könnte die Elisabeth-Aue auf sehr lange Zeit ein Acker bleiben.
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