Herbst des Wandels
Das Kunstprojekt „Aufbruch 1989 – Erinnern 2019“ erinnert an die friedliche Revolution in Pankow
Mancher wird sich wundern, was da auf Gehwegen vor Wohnhäusern im Bezirk klebt: Ein 60 mal 60 Zentimeter großes Quadrat mit Schwarzweißfoto, Schriftzug und QR-Code. Diese „Bodenzeichen“ sind Teil des großen dezentralen Kunstprojektes „Aufbruch 1989 – Erinnern 2019“ der Künstlerin Karla Sachse.
Über die QR-Codes kann man per Smartphone die Stimmen von Menschen hören, die sich an die Zeit vor 30 Jahren erinnern. Auf einer Internetseite www.aufbruch-herbst89.de finden sich außerdem Fotos und Informationen zu den Menschen, die sich erinnern. Die Idee zu diesem temporären Kunstprojekt entstand im Mai 2018. „Wir überlegten mit Blick auf das Jubiläum ‚30 Jahre friedliche Revolution und Mauerfall‘, wie wir als Bezirk damit umgehen“, sagt Bürgermeister Sören Benn (Die Linke). Abzusehen war bereits, dass es viele zentrale Veranstaltungen in Berlin geben wird.
„Der Bezirk Pankow war aber ein Zentrum der Opposition. Und so kamen wir auf die Idee zu versuchen, die friedliche Revolution von unten zu erzählen“, so Benn weiter. „Es gibt viele Prominente, die sich zu den Ereignissen vor 30 Jahren äußern. Wir wollten aber auch jene Menschen zu Wort kommen lassen, die nicht so als Akteure im öffentlichen Bewusstsein präsent sind.“
Sören Benn nahm mit Karla Sachse Kontakt auf, die bereits mit ihrem Denkzeichen in Erinnerung an die frühere NKWD-Haftanstalt an der Fröbelstraße ein Kunstwerk zu einem geschichtspolitischen Thema schuf. „Ich wohne seit 38 Jahren in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg“, so Sachse. „Die meisten der damaligen Akteure kenne ich. Und für mich war klar, im Mittelpunkt des Kunstwerkes wird nicht die Öffnung der Mauer, sondern die friedliche Revolution stehen. Denn sie war die Vorgeschichte der Maueröffnung.“
Für ihr dezentrales Kunstwerk führte Karla Sachse insgesamt 158 Interviews. Ihre Gesprächspartner waren Prominente wie der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der Verleger Christoph Links und der Publizist Konrad Weiß. Sie interviewte außerdem damalige Pfarrer wie Bernd Albani und seine Frau Manuela, Werner Widrat sowie Ruth Misselwitz und ihren Mann Hans. Vor allem kommen aber viele „normale Menschen“ zu Wort. „Für die Wiedergabe der Interviews mit der Stimme der einzelnen entschieden wir uns, weil mit der Stimme Emotionen besser herüberkommen“, erklärt Karla Sachse. Die Beiträge sind in der Regel zwischen sechs und neun Minuten lang.
In den Interviews erinnern sich alle an den Herbst 1989, als sich Ereignisse und Aktivitäten überschlugen. Sie reden über den 9. September (Gründung des Neuen Forums), 9. Oktober (Ende der Polizeiaktionen gegen friedliche Demonstranten), 9. November (Öffnung der Mauer) und 9. Dezember (erste Tagung des Runden Tisches). Der Leiter des Museums Pankow, Bernt Roder, schwärmt, dass es mit diesem Kunstprojekt gelang, konkrete Orte mit konkreten Personen und deren Erinnerungen unkommentiert zusammenzubringen.
Die Bodenzeichen informieren aber nicht nur über die Wohnorte von Personen im Herbst 1989. In Bild und Wort erfährt man auch mehr über Orte, die in der friedlichen Revolution in Pankow eine wichtige Rolle spielten, wie das Café Nord, das Kreiskulturhaus Pankow oder das Café Mosaik. So sind auf den Straßen in Prenzlauer Berg, in Pankow und in Weißensee insgesamt 195 dieser Bodenzeichen zu finden. Alle Orte können auf vier Routen abgelaufen werden. Diese finden sich auf der auf der Internetseite des Kunstprojektes. Weiterhin wird dort auf zahlreiche Veranstaltungen hingewiesen.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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