Geschöpft aus den Depots der Natur – „Punkt, Linie, Fläche, Körper, Raum“
Wald und Wiesen in Französisch Buchholz, Blankenfelde, Glienicke und überall auf der Welt, bilden die Depots für diese Ausstellung in der Galerie Forum Amalienpark.
Sie vereint (bis 22.7.2017) ein weites Spektrum von künstlerischen Annäherungen an die geometrischen Grundbegriffe zwischen Mathematik und Natur: skulptural, zeichnerisch und malerisch, in Metall, Holz, Stein, Terrakotta, auf oder aus Papier, gemacht von:
Eva Arizabalaga, Barcelona,
Maria Beykirch, München,
Marguerite Blume-Cardenas, Berlin,
Dorothee Curio, Berlin,
Carola Czempik, Glienicke,
Robert Hogervorst, Berlin,
Anna Mields, Berlin,
Liz Mields-Kratochwil, Berlin,
Helen Waterbolk, Den Haag.
Es ist die erste, von der Bildhauerin Liz Mields-Kratochwil kuratierte Ausstellung, die zudem als – im besten Sinne des Wortes – Studio-Ausstellung verstanden werden kann. Folglich liefert sie auch eine Fülle didaktischer Ansätze. Die in breiter Vielfalt vertretenen Sichtweisen lenken hin zur unsichtbaren Struktur, zur Konstruktion und Verbindung zur Entstehung von Spannkraft in den bildenden Künsten. Die oftmals sehr feinfühlig und empfindlich gestalteten Werke weisen assoziativ in Mikro- und Makrokosmos. Durch die gestalterische Anwendung der abstrakten geometrischen Grundbegriffe „Punkt und Linie“ verdichtet sich im Schaffensprozess Fläche. Körper und Raum entstehen durch „Wachstum“ in Strukturen und Fraktalen.
Der Anschauungsspielraum der „sehenden“ Augen der KünstlerInnen aus der Natur, der Malerei, Zeichnung und der Architektur ist gewaltig. Um vergleichsweise aus dem Bildgedächtnis zu schöpfen, – rückblickend in die Kunstgeschichte – sei erinnert an den Fotografen Karl Blossfeldt und den Zeichner und Grafiker M. C. Escher. Beide haben in ihrem kompakten Schaffen minutiös aufgezeigt, wie mittels meisterlich angewandter grafischer Techniken Pflanzen in ihren Strukturen aufgebaut sind. Durch foto-grafisch genaue Zeichnung können unendliche Perspektiven und Spiegelungen ins Unendliche entstehen.
Blossfeldt war Bildhauer und Modelleur, später wirkte er als Lehrer (1898) und Dozent, bspw. im Lehrfach „Modellieren nach Pflanzen“. Seine Fotografien sah er als Unterrichtsmaterial, mit denen er Pflanzen vergrößert abbildete und deren architektonischen Aufbau zeigte.
Escher, Sohn eines Wasserbauingenieurs, reiste und zeichnete viel. Die Motive seiner Landschaften bildeten später den Formen-Kanon seiner „naturfremden“ Arbeiten. Er schuf grafisch Kristallformen, optische Verzerrungen, Fraktale und Unendlichkeitsannäherungen.
In der Galerie Forum Amalienpark, die am 8. Juli mit der Fête d’ Amelie ihr 20-jähriges Bestehen feiert, ist das Anliegen der Künstlerinnen Minimalismus im kreativen Sinne.
Auswahlweise hier ein Blick auf einige Werke.
Die Kuratorin und Bildhauerin Liz Mields-Kratochwil erläutert zu ihrer Sichtweise bspw. auf ‚Fraktale’: „In der Natur lassen sich viele fraktale Strukturen finden, beispielsweise Bäume, Blutgefäße, Flusssysteme und Küstenlinien. ‚Fraktal’ ist abgeleitet vom lateinischen Wort „fractus“ und bedeutet „gebrochen“, „zerklüftet“, Bei Vergrößerung eines Ausschnitts eines Fraktales sind stets immer feinere ähnliche Strukturen erkennbar, egal wie stark der Vergrößerungsfaktor ist. Strukturen sind selbstähnlich. Die Selbstähnlichkeit in der Natur muss nicht perfekt sein z.B. bei Bäumen mit ihren Verästelungen.“
Eva Arizabalaga, Barcelona, zeigt Rangolis – Zeichnungen aus Indien mit einer unendlichen Linie, die die Frauen vor den Türen der Häuser mit Reispulver zeichnen, um die Häuser und die Familie zu schützen. „Es gibt weder einen Anfang noch ein Ende. Man sagt, dass diese unendlichen Rangolis den Dämonen keine Chance geben, in die Häuser hineinzugehen, weil sie keinen Hohlraum in der Linie finden. Als ich in Indien war, war ich von der Arbeit dieser Frauen begeistert. Jetzt habe ich die Gelegenheit, etwas so Bescheidendes und gleichzeitig so Bedeutungstragendes in Berlin vorzustellen.“
Carola Czempik aus Glienicke bringt malerisch-strukturelle Zeichnungen ein: GRAS | Serie | 40-teilig | 2014 | 15 work in progress. „Inspirationsquelle zu dieser Arbeit sind Sammlungen der künstlerischen Werke sowie Biografien und Briefe der in den Psychiatrien lebenden Frauen um 1900 in Deutschland. In dieser Zeit wurden erstmalig Werke in der Sammlung Prinzhorn Heidelberg katalogisiert und Dokumente aufbewahrt. Die Originalität und Kraft der künstlerischen Mittel, sowie ihre existenzielle Qualität, überzeugen auch heute.“
Anna Mields Kunst-Formen sind amorph und in ihrem Material leicht und zerbrechlich – in einer Vitrine: die „Wunderkammer“, wie wir sie von Fürstenhöfen kennen: In der Vitrine befinden sich Referenzen, so ein Amulett aus Tonscherben, zwei Ringe aus Tonscherben, eine dünne Haut aus Gips und ein Tonscherben glasiert – eine Seite dunkel die andere hell glasiert.
Diese Assoziation der „Wunderkammer“ würde ich der gesamten Ausstellung wünschen: erstaunliche Entdeckungen – vom kleinsten bis zum umfangreichsten „künstlerischen Sammelobjekt“, am Boden, in Vitrinen, an den Wänden und beim Ein- und Ausgang, an der Decken-Ecke (www.amalienpark.de).
Anne Schäfer-Junker, Französisch Buchholz
Autor:Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz |
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