Eisbrecherin und Brückenbauerin
Mit ihrer Therapiehündin Lotta hilft Katrin Müller Menschen, ihre Ängste zu überwinden
Man sieht es ihnen auf den ersten Blick nicht an, aber sie sind ein Team mit speziellen Fähigkeiten. Katrin Müller und ihre Hündin Lotta helfen Menschen, Ängste zu überwinden.
Es gibt Menschen, die Angst davor haben, mit der Bahn zu fahren. Der Zug könnte entgleisen. Oder nie mehr zu anhalten. Freiwillig würden Menschen mit solchen Ängsten nie einen Fuß in eine S-Bahn zu setzen. Katrin Müller hat mit solchen Menschen zu tun. Sie ist Sozialarbeiterin. Als Bezugsbetreuerin für Klienten mit psychischen Problemen ist sie in der gemeinnützigen Pinel GmbH tätig, vor allem in Buch und Pankow. Immer mit dabei ist ihre „Kollegin“ Lotta. Die Achtjährige ist eine Mischung aus Border Collie und Golden Retriever. „Sie ist ein sehr aktiver Hund, der auf Menschen zugeht und schnell mit ihnen in Kontakt kommt“, sagt Katrin Müller stolz.
Das merkt der Reporter, als er sich mit den beiden trifft. Lotta beschnuppert den Fremden sofort, wedelt mit dem Schwanz, schaut ein bisschen herausfordernd. Und nach ein paar Streicheleinheiten hat man sich bekannt gemacht. „Ich habe seit Kindertagen immer mit Tieren zu tun gehabt“, sagt Katrin Müller. „Dass Tiere uns Menschen gut tun, merkte ich schon recht früh. Und als ich mich dann entschied, Sozialpädagogik zu studieren, wollte ich die Arbeit mit Menschen und Tieren verbinden.“ Während ihres Studiums wurde der 31-Jährigen klar: Bei der tiergestützten Therapie haben beide Seiten etwas davon. Dem Menschen wird durch das Tier geholfen, und das Tier hat Spaß dabei und wird gefordert.
Welche Wirkung das Ganze entfalten kann, merkte Katrin Müller 2004, als sie eine Reittherapie für einen mehrfach behinderten Jungen begleitete. Dessen Eltern hatten bereits vieles versucht, um ihm mehr Lebensqualität zu ermöglichen. „Aber erst die Reittherapie brachte Erfolge“, erinnert sich die Sozialarbeiterin. „Von Mal zu Mal richtete er sich auf dem Rücken des Pferdes mehr auf. Seine Augen gingen weit auf. Er lächelte und nahm seine Umwelt wahr.“ Katrin Müller entschied sich im Jahre 2006, die Therapie mit einem Hund zu versuchen.
„Ich war Studentin. Mit ihm wollte ich erste eigene Erfahrungen sammeln“, erklärt sie. „Mein erster Hund, Chester, ein ruhiges Tier, war eine Mischung aus Labrador und Windhund. Aber für meine künftige Arbeit wollte ich einen lebhafteren Hund.“ Die Sozialpädagogin hatte da ganz konkrete Vorstellungen. Sie suchte sehr lange. Durch Zufall wurde sie dann auf einen abzugebenden Welpen aufmerksam. Und als sie Lotta, damals acht Wochen alt, kennenlernte, war ihre Entscheidung gefallen.
Seitdem Katrin Müller Lotta entsprechend ausgebildet hatte, sind beide als Gespann für die Pinel GmbH im Einsatz. In deren Einrichtungen werden psychisch kranke Menschen betreut. Viele von ihnen haben Angststörungen. Manche trauen sich nicht mal mehr aus der Wohnung. Katrin Müller und Lotta helfen mit Gesprächen und mit tierischem Gespür, dass diese Menschen Schritt für Schritt Ängste überwinden.
So schaffen es Katrin Müller und Lotta dann zum Beispiel auch, dass ein Klient, trotz riesiger Angst, sich traut, einen S-Bahnhof zu betreten. Einige Zeit später folgt er Lotta sogar in einen S-Bahnwagen. Und gemeinsam mit Lotta fährt er eine erste Station mit. So erlebt er, dass seine Angst eigentlich unbegründet ist. „Lotta ist so etwas wie eine Eisbrecherin und Brückenbauerin für die Klienten“, erklärt Katrin Müller. „Sie ist völlig unvoreingenommen. Sie tut den Menschen gut, und sie selbst fühlt sich wohl dabei, empfindet das gar nicht als Arbeit.“ Und das, obwohl das Team die ganze Woche im Einsatz ist.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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