Warum Andrea Lauer einen Roman in Einfacher Sprache herausbringt
Prenzlauer Berg. Andrea Lauer hat ein ganz besonderes Buch verfasst. Es heißt „Olga und Marie“. Geschrieben ist es in sogenannter Einfacher Sprache, wie der Fachausdruck für diese Schreibweise heißt.
In der Einfachen Sprache gelten ganz bestimmte Regeln. Es werden zum Beispiel nur kurze Sätze verwendet. Jeder Satz enthält nur eine Aussage. Es dürfen nur Aktivsätze sein. Und diese bestehen in der Regel nur aus Subjekt, Objekt und Prädikat. Fremdwörter und Fachwörter werden vermieden. Kommen sie doch vor, müssen sie erklärt werden. Das sind nur einige Regeln. Wer allerdings denkt, dass es sich bei der Einfachen Sprache um Kindersprache handelt, hat sich getäuscht. „Die Einfache Sprache ist eine barrierefreie Sprache“, erklärt Andrea Lauer. „Sie richtet sich an erwachsene Menschen mit Lernschwierigkeiten.“ Dazu gehören unter anderem Menschen mit Handicaps, aber auch erwachsene Analphabeten, die nach und nach das Lesen lernen.
Andrea Lauer muss es wissen. Schließlich hat sie in ihrem neuen Roman „Olga und Marie“ genau das Regelwerk angewandt. Dass sie ein ganzes Buch in Einfacher Sprache schrieb, ist dabei dem Verein Kubus zu verdanken, der vor einiger Zeit einen Wettbewerb „Kunst der Einfachheit“ ausschrieb. Die Autorin, die bis dahin schon einen Roman veröffentlicht hatte, sagte sich: "Da mache ich mit. Ich dachte mir, dass das nicht so schwer sein kann. Eine Idee hatte ich sofort“, sagt sie. „Aber ich merkte anfangs, dass es gar nicht so leicht ist, durchgängig in Einfacher Sprache zu schreiben. Man denkt zuerst, dass man in seiner Kreativität als Schreibende eingeschränkt wird", gesteht die Prenz´l Bergerin. "Aber das ist keineswegs so. Die Texte werden ehrlicher. Abschwächende Adjektive haben keinen Platz im Text. Da überlegt man sehr genau, was man schreibt.“
Herausgekommen ist die Geschichte „Küssen gehört zum Erwachsensein“. Andrea Lauer gewann damit den Wettbewerb. „Danach beschäftigte ich mich intensiver mit diesem Thema. Ich stellte fest, dass es nur ganz wenig Literatur in Einfacher Sprache gibt. Darum entschloss ich mich, einen richtigen Roman zu schreiben“, so die 43-Jähige. Sie nahm sich vor, nicht irgendeine ausgedachte Fantasiegeschichte zu erzählen. „Es sollte eine Geschichte sein, in der sich Menschen, die Bücher in Einfacher Sprache lesen, wiederfinden.“
Die Autorin wollte in Vorbereitung auf ihr Roman-Projekt ein Stückweit in die Lebenswelt dieser Menschen eintauchen. Sie erhielt die Möglichkeit, ein Praktikum in einer Behindertenwerkstatt zu machen. „In dieser Werkstatt arbeiten Menschen mit Lernschwierigkeiten“, berichtet Lauer. „Ich faltete mit ihnen Hefter. Wir kamen dabei über ihren Alltag ins Gespräch. Auch über das was sie lesen", sagt sie. "Sie erzählten mir, dass sie nur Kinder- und Jugendbücher haben. Diese Sprache verstehen sie. Für ihre Generation gibt es leider kaum Bücher, die für sie verständlich geschrieben sind.“
Andrea Lauer bekam in den Gesprächen Anregungen für Themen. Nach diesem Kontakt machte sich die Autorin ans Schreiben. Sie entwarf eine Liebesgeschichte. Protagonistinnen sind zwei junge Frauen mit Lernschwierigkeiten. Eine arbeitet in einer Werkstatt, die andere in einem Hotel. Es geht um die Abnabelung vom Elternhaus. Und es geht um das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Handicap. BW
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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