Vom Schicksal jüdischer Unternehmen in der Nazizeit
Prenzlauer Berg. Am 9. November 1938 wurden in deutschen Städten Synagogen geschändet und niedergebrannt, und es wurde in jüdischen Geschäften randaliert und geplündert. Dieser Tag ging als Pogromnacht in die Geschichte ein.
In diesem Jahr jährt sie sich zum 75. Mal. Das ist Anlass für den Museumsverbund, die Ausstellung "Verraten und verkauft" in der Prenzlauer Allee 227/228 zu zeigen. Sie wurde vom "Aktiven Museum" und vom Lehrstuhl für Zeitgeschichte der Humboldt-Universität Berlin zusammengestellt. In ihr geht es um die Geschichte von jüdischen Unternehmen in Berlin. Ergänzt wurde sie vom Pankower Museumsverbund um die Geschichte jüdischer Firmen, die sich auf dem Gebiet des heutigen Bezirks Pankow befanden. Auf großformatigen Foto-Text-Tafeln erfahren die Besucher vieles über die Gründung und das Wachstum von Firmen mit jüdischen Inhabern. Außerdem wird dargestellt, mit welchen Einschränkungen und Einschnitten die Unternehmer seit 1933 zu kämpfen hatte. Viele der einstigen Gründer wurden später aus ihren Firmen gedrängt. Sie wurden deportiert, landeten in Vernichtungslagern oder gingen ins Exil.
Zu den jüdischen Unternehmen, die in der Ausstellung vorgestellt werden, gehört zum Beispiel das frühere Kreditkaufhaus Jonass. Das befand sich an der Ecke Prenzlauer Allee und Mollstraße. Es wurde 1929 von den jüdischen Geschäftsmännern Herrmann Gulluber und Hugo Haller gebaut. Bereits kurz nach ihrer Machtübernahme beanspruchten die Nazis dieses Haus für sich. Sie zwangen die Eigentümer im Zuge der Arisierung zum Rückzug aus der Firma und zur Emigration. Die neuen Eigentümer verkauften das Gebäude an die NSDAP. Diese übergab es 1942 an ihre Reichsjugendführung.
Des Weiteren wird in der Ausstellung das Auf und Ab der Glaserei S. Selbiger in der Wollankstraße 133 dargestellt. Diese wurde 1895 von Selig Selbiger in der damaligen Vorortgemeinde Pankow gegründet. Die Geschäfte florierten. Pankow wurde als Wohnort immer beliebter. Es wurde viel gebaut, und der Glasermeister hatte viel zu tun. Als die Nazis an die Macht kamen und im Frühjahr 1933 zum landesweiten Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen, bekam das auch die Glaserei zu spüren. Vor der Wollankstraße 133 nahmen SA-Leute Aufstellung. Das schreckte die Kundschaft ab. Später kamen fast nur noch jüdische Auftraggeber. Im November 1938 musste die Glaserei schließen. Fritz Selbiger, der den Betrieb von seinem verstorbenen Vater übernommen hatte, wurde mit seiner Frau Edith zur Zwangsarbeit in einem Betrieb verpflichtet. Während seine Frau ein Opfer der Fabrikaktion der Nazis wurde, überlebte Fritz Selbiger. Er wagte nach dem Krieg einen Neuanfang. Er gründete erneut eine Glaserei an der Wollankstraße, die er bis 1961 betrieb. Im hohen Alter starb er im Dezember 1989.
Die Ausstellung ist in der Aula im dritten Stock des Hauptgebäudes in der Prenzlauer Allee 227/228, Aufgang B, zu sehen. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos unter 902 95 39 17.
Bernd Wähner / BW
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