Schüsse an der Kiefholzstraße: Vor 50 Jahren wurden zwei Kinder Opfer an der Mauer
Plänterwald. Seit über 15 Jahren erinnert ein Mahnmal an der Kiefholzstraße an ein ganz besonders trauriges Kapitel des DDR-Regimes. Vor 50 Jahren haben Grenzposten hier zwei Kinder erschossen.
Am 14. März 1966 kriechen Jörg Hartmann (10) und Lothar Schleusener (13) durch den Hinterlandzaun an der Kleingartenanlage „Sorgenfrei“. Kurz nach 19 Uhr laufen sie auf die Mauer zu, die hier die damaligen Bezirke Treptow und Neukölln voneinander trennt. Der Postenführer eines nahen Wachturms erkennt die Beiden und eröffnet das Feuer, zwei weitere Grenzer schießen ebenfalls aus ihren Maschinenpistolen. Jörg ist sofort tot, sein Freund stirbt Stunden später im Krankenhaus.
„Die Beiden gehören zu insgesamt neun Kindern, die Opfer des Grenzregimes in Berlin wurden. Ihr Tod wurde von den Behörden der DDR vertuscht. Den Eltern erzählte man, die Kinder seien verunglückt. Erst die Lehrerin eines der Jungen, Ursula Mörs, konnte das Schicksal der Kinder nach dem Ende der DDR aufklären“, erzählt Bürgermeister Oliver Igel (SPD) aktuell im Rahmen einer kurzen Gedenkveranstaltung.
Die beiden Kinder sind nicht die einzigen Opfer, die in diesem Bereich der Kiefholzstraße den Grenzsoldaten zum Opfer fielen. Bereits 1962 war der Schüler Wolfgang Glöde (13) ums Leben gekommen, weil ein Grenzposten beim Erläutern der Waffe fahrlässig einen Schuss abfeuerte. Und am 1. Weihnachtsfeiertag 1970 werden am nahen Bahndamm 98 Schüsse abgefeuert, um die Flucht von Christian Peter Friese zu stoppen. Der 20-Jährige stirbt noch im Mauerstreifen.
Um an das Schicksal ihres Schülers Jörg Hartmann zu erinnern, hat sich Ursula Mörs nach der Wende für eine würdige Gedenkstätte in Tatortnähe eingesetzt. Als die dann 1999 errichtet wurde, hat die frühere Lehrerin einen Teil der Kosten getragen.
„Wir dürfen nie vergessen, wer für das menschenfeindliche DDR-Grenzregime verantwortlich war. Das sind wir allein schon den Opfern Jörg Hartmann und Lothar Schleusener schuldig“, sagt Bürgermeister Oliver Igel.
Für die DDR-Behörden waren die Schüsse auf zwei Kinder seinerzeit durchaus legitim. „Die im Grenzabschnitt eingesetzten Posten haben entsprechend der Lage richtig und initiativreich gehandelt“, schreibt NVA-General Poppe seinerzeit in einer „Geheimen Verschlusssache“ an SED-Chef Erich Honecker. Zumindest einer der Posten konnte für sein Handeln nach dem Fall der Mauer zur Verantwortung gezogen werden. Mauerschütze Siegfried Becker, in der DDR übrigens Lehrer, erhielt eine milde Bewährungsstrafe. RD
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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