Bezirk beschließt fünf Erhaltungsgebiete in Prenzlauer Berg
Dabei handelt es sich um die ehemaligen Sanierungsgebiete Kollwitzplatz, Teutoburger Platz, Helmholtzplatz, Winsstraße und Bötzowviertel, die noch um einige Straßenzüge erweitert wurden. Als die fünf Kieze Mitte der 90er-Jahre zu Sanierungsgebieten erklärt wurden, gab es in ihnen immensen städtebaulichen Handlungsbedarf. Die meisten Wohnhäuser waren heruntergekommen, Reparaturen dringend erforderlich. Es gab erhebliche Baumängel an Schul- und Kita-Gebäuden. Die Straßen und Gehwege waren marode. Es mangelte an Grünflächen und Spielplätzen.
Inzwischen sieht es dort ganz anders aus. Nach knapp 20 Jahren reger Bautätigkeit ist ein Großteil der Wohnungen und der Infrastruktur modernisiert. Die einstigen Sanierungsgebiete sind als Wohnquartiere äußerst begehrt. Diese, an sich positive Entwicklung hat allerdings auch ihre Kehrseite. Investoren nutzen die Nachfrage, um mit Wohnungen Geschäfte auf Kosten der Alteingesessenen zu machen. Da finden Luxussanierungen statt, die exorbitante Mieterhöhungen zur Folge haben. Wohnungen werden zusammengelegt, um sie noch teurer vermieten oder verkaufen zu können. Häuser werden gezielt entmietet, um Ferienwohnungen einzurichten. Das alles hat die Verdrängung bisheriger Mieter zur Folge.
Um das verhindern zu können, entschieden die Bezirkspolitiker, fünf neue soziale Erhaltungsgebiete festzulegen. Diesem Beschluss vorausgegangen waren eingehende Untersuchungen dieser Gebiete. "Festgestellt wurde, dass bei Neuvermietungen in der Regel gleich die Miete erhöht wird", sagt der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses der BVV, Roland Schröder. "Außerdem werden zunehmend Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Oft werden Wohnungen auch unangemessen teuer saniert, um dann die Miete zu erhöhen." Ein weiteres spezielles Problem sei die Zusammenlegung von Wohnungen. Damit wollen Vermieter teuren Wohnraum für Familien schaffen. Allein am Helmholzplatz gingen in den vergangenen Jahren 1000 kleine Wohnungen durch Zusammenlegung verloren. Damit verringerte sich der Wohnraum für Singles erheblich.
"Durch solche Prozesse bekommen wir eine ganz andere Bewohnerschaft in den Kiezen. Die vorhandene Infrastruktur stimmt dann plötzlich nicht mehr mit den Bedürfnissen der Bewohner überein", erklärt Schröder. Ziel der Bezirkspolitik sei es aber, den Wohnraumschlüssel zu erhalten und damit auch die soziale Mischung in den Kiezen. Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen) berichtet, dass man in Prenzlauer Berg beobachte, dass Wohnungen, die in den 90er-Jahren bereits neu hergerichtet wurden, jetzt erneut saniert werden. "In der Regel sollen die Wohnungen aufgewertet werden, um sie teurer vermieten zu können", sagt er. Deshalb hat sich die Bezirkspolitik entschieden, etwas für den Erhalt der sozialen Mischung in den Kiezen zu tun.
In sozialen Erhaltungsgebieten müssen Hauseigentümer bei einer Anzahl von Sanierungsvorhaben erst einen Bauantrag beim Bezirksamt stellen. Dort wird bei der Antragsbearbeitung geprüft, welche Arbeiten wirklich nötig und zu genehmigen sind. Unter anderem werden bestimmte Luxuseinbauten wie Kamine oder ein zweites Bad nicht mehr genehmigt. Auch ein zweiter Balkon wird als nicht notwendig erachtet. Grundrissveränderungen und Wohnungszusammenlegungen soll es nicht mehr geben. Der Einbau von Fahrstühlen ist hingegen künftig erlaubt.
Die fünf neuen sozialen Erhaltungsgebiete umfassen etwa 30.000 Wohnungen. Offiziell in Kraft treten die Verordnungen mit der Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt. Das wird voraussichtlich im Sommer geschehen.
Spät, aber nicht zu spät
Ein Kommentar von Bernd Wähner
Die Entscheidung, neue soziale Erhaltungsgebiete in Prenzlauer Berg festzulegen, kommt spät. Der Kiez Kollwitzplatz verlor bereits vor fünf Jahren seinen Status als Sanierungsgebiet. Die anderen Kieze folgten sukzessive. Hauseigentümer waren nun nicht mehr an das Sanierungsrecht gebunden. Sie konnten luxussanieren; Mieten stiegen; Bewohner zogen weg, weil sie sich das Leben in Prenzlauer Berg nicht mehr leisten konnten. Die Sozialstruktur hat sich bereits radikal verändert. Die Mittelschicht bestimmt inzwischen das Erscheinungsbild der Altbauquartiere. Doch auch die ist vor Verdrängung nicht sicher. Das müssen derzeit Mieter in einigen Häusern schmerzvoll erfahren.
Manche Investoren modernisieren, was das Zeug hält. Teilweise werden Dinge eingebaut, die an sich überflüssig sind. Aber man kann die Kosten auf die Mieten umlegen, die sich dann verdoppeln und verdreifachen. Frustriert ziehen wieder Mieter aus. Die nächsten, deren Geldbörse noch etwas dicker ist, stehen schon bereit. Sie zahlen die überzogene Miete oder kaufen die Wohnung.
Mit den neuen sozialen Erhaltungsverordnungen wollen Bezirkspolitiker weitere Sanierungsexzesse verhindern. Für das Gros der Mieter kommen die Verordnungen zwar spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Denn die zweite Sanierungswelle in Prenzlauer Berg hat gerade erst begonnen.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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