Einmaliger Aufstieg ins Achteck
Wasserturm auf altem Viehhof hat neuen Besitzer
Auf dem weitläufigen Areal des ehemaligen zentralen Vieh- und Schlachthofes an der Landsberger Allee steht ein auffälliges Gebäude: der achteckige Wasserturm. Hoch hinauf konnte bisher niemand. Jetzt aber lud der neue Besitzer einmalig zum Rundblick ein.
Rund 20 Meter hoch ragt der alte Wasserturm in den wolkenlosen Himmel. Vorn am Zaun steht Michael Stefan und wartet ungeduldig auf die angemeldeten Besucher. Die Hitze sengt, da, endlich tauchen sie auf. Allen voran Tino Schopf, der dem Gastgeber einen Berliner Riesling aus dem Prenzlauer Berg in die Hand drückt. Als Dankeschön, denn es ist nicht selbstverständlich, dass der Politiker und seine Kiezspaziergänger hoch in den Wasserturm dürfen.
Der steht an der Otto-Ostrowski-Straße und gehört jetzt Michael Stefan. Der Münchner, der seit acht Jahren in Berlin lebt, hat ihn vor etwa einem Jahr dem Vorbesitzer abgekauft. Er will den denkmalgeschützten Wasserturm – von dem streng genommen nur noch der Schaft steht – sanieren. Die Baugenehmigung hat Michael Stefan seit zwei Tagen in der Tasche.
Turm wird Wohnhaus
Den meisten Kiezspaziergängern ist der inzwischen lachsfarben verblichene Turm nicht unbekannt. Sie erinnern sich noch an das öffentliche Café im Erdgeschoss. Das ist längst dicht. Die eisernen Industrietreppen hochsteigen bis ins oberste Stockwerk durfte damals aber auch schon keiner. Was der neue Besitzer nun erstmalig – und letztmalig – erlaubt hat. Vor dem Aufstieg erklärt Michael Stefan noch schnell, was genau er mit dem Turm vorhat. Dafür hat er Baupläne, Fotos und Visualisierungen ins Entree gehängt. Der 37-Jährige will den Turm, erbaut 1878 nach den Entwürfen des Architekten Hermann Blankenstein, zu seinem privaten Wohnhaus umbauen. Drei Etagen, jede rund 50 Quadratmeter groß, hat er dafür zur Verfügung. Der hässliche Turmvorbau, in dem der Vorbesitzer einen Fahrstuhl einbauen wollte, lässt er abreißen. Stattdessen kommt ein rechteckiges Haus davor, das über eine Glasfuge mit dem Turm verbunden ist. Eine Wohnung und Büroräume will Michael Stefan dort einrichten und vermieten.
Bis alles fertig ist, soll es nicht lange dauern. Ende 2021 will Michael Stefan schon einziehen – trotz strenger Vorgaben beim Brandschutz und Denkmalschutz. Die lachsfarbene Fassade wollte er eigentlich abtragen und die rotbraunen Klinker freilegen, erzählt Stefan. Doch das wäre zu aufwändig und teuer geworden, weshalb er es bei einem frischen Anstrich belässt.
Schließlich geht es hoch zur schmalen Aussichtsplattform, die den gesamten Turm umrundet. „Toller Ausblick“, da sind sich alle Mutigen einig. Michael Stefan lächelt. Auch deshalb hat er sich in den Turm verliebt.
Sorgenkind Otto-Ostrowski-Straße
Wieder unten heißt es Abschied nehmen. Tino Schopf und Rolf Gänsrich, der den Kiezspaziergang über den alten Viehhof mit historischen Details ergänzt, wollen weiter. Vorbei geht es an den vier alten Schlachthofhallen, vorn an der Landsberger Allee. Die sind weitgehend saniert, und auch dahinter schreitet der Bau des neuen Büro- und Gewerbekomplexes rasch voran. In den Hallen sollen Cafés, Bars, Fitnesscenter und Läden lokaler Einzelhändler eröffnen. Im nächsten Jahr will HB Reavis als Investor wie berichtet mit dem Bauvorhaben fertig sein.
Kopfzerbrechen bereitet Tino Schopf derweil noch die Otto-Ostrowski-Straße. Die nämlich soll für den Durchgangsverkehr geöffnet werden, was viele Anwohner aber nicht wollen. „Autofahrer kacheln dann hier lang, um abzukürzen“, befürchtet Schopf. Der Lieferverkehr müsse durch, das sei klar, mehr Autos aber nicht. Der SPD-Abgeordnete für Prenzlauer Berg Ost und Weißensee unterstützt deshalb eine Petition der Anwohner. Und auch die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow bereitet einen entsprechenden Antrag zur Beschlussfassung vor.
Der nächste Kiezspaziergang mit Tino Schopf führt am 12. September durch das Komponistenviertel in Weißensee.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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