Was braucht es, damit Lernen gelingt?
Kreuzberger Street College ermöglicht eine selbstbestimmte Entwicklung jenseits des Schulsystems

Prüfung bestanden: Erfolgreiche Teilnehmer des Street College haben Grund zur Freude.  | Foto:  Street College
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  • Prüfung bestanden: Erfolgreiche Teilnehmer des Street College haben Grund zur Freude.
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Bildung und damit eine berufliche Zukunft sollten jedem offenstehen. Doch wie steht es mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die die Schule abgebrochen haben, die wegen mangelnder Sprachkenntnisse oder aus anderen Gründen mit dem Lernstoff nicht klarkommen? Street College bietet hier einen Freiraum für selbstbestimmtes Lernen und eine Chance für all jene, auf die unser Bildungssystem nicht eingestellt ist.

Träger des einzigartigen Projektes ist der Berliner Verein für Straßensozialarbeit Gangway. Tanja Ries, heute Projektleiterin vom Street College, stieß im Jahre 2000 anlässlich des zehnjährigen Vereinsjubiläums, das sie organisierte, zu Gangway hinzu. Sie blieb und sammelte jene Erfahrungen, die den Anstoß für das spätere Projekt lieferten. „Viele der Jugendlichen hatten die Schule abgebrochen“, sagt sie, „konnten sich aber bei Gangway mit Elan, Lernbereitschaft und Engagement für Musik- und Bühnenprojekte begeistern.“ Als das Projekt Street College 2013 ins Leben gerufen wurde, war also für Tanja Ries und das Gangway-Team die alles entscheidende Frage: Was braucht es, damit Lernen gelingt?

Tanja Ries ist die Leiterin des Gangway-Projekts Street College. | Foto: Street College
  • Tanja Ries ist die Leiterin des Gangway-Projekts Street College.
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Freiwilligkeit und Eigenverantwortlichkeit seien elementar, so Tanja Ries’ Antwort. Die Jugendlichen sollen lernen, was sie selbst wollen, und zwar wann und wie sie es wollen. Das Street College bietet dafür den Rahmen, einen passenden Ort, Material und die Hilfe von professionellen Lernbegleitern. „Bei der Auswahl der Dozenten liegt unser Fokus weniger auf deren formalen Qualifikationen als vielmehr auf Flexibilität, Einfühlungsvermögen und der Bereitschaft, mit den Jugendlichen auch in schwierigen Situationen zu arbeiten“, betont die Projektleiterin.

Im Lernlabor werden die Teilnehmer bei ihren Lernzielen tatkräftig unterstützt. | Foto: Street College
  • Im Lernlabor werden die Teilnehmer bei ihren Lernzielen tatkräftig unterstützt.
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Und sie weiß, wovon sie spricht, hatte sie doch einst selbst die Schule abgebrochen und war in einem selbstverwalteten Jugendzentrum aufgewachsen. Eine wichtige Erfahrung, um die Situation der Jugendlichen zu verstehen. Weil nichts vorgegeben wird, haben sich über die Nachfrage ganz von allein Lernkonzepte und Fachbereiche herausgebildet. Das sind momentan Musik, Design, Medien und Bühnenkunst. Es finden Kurse für Gesang, Rap, Musikproduktion, DJing, Modedesign, Zeichnen, Freies Design, Film und Schauspiel statt. Im Fachbereich Lernlabor wird eine Nachhilfe geboten und es werden Schulabschlüsse (Berufsbildungsreife, erweiterte Berufsbildungsreife und Mittlerer Schulabschluss) nachgeholt. Auch ein Diplomkurs „Künstlerisch basierter Audio Engineer“ steht auf dem Programm.

Lerninhalte, wie hier das Töpfern, bestimmen die Interessenten selbst. | Foto: Street College
  • Lerninhalte, wie hier das Töpfern, bestimmen die Interessenten selbst.
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Darüber hinaus gibt es Unterstützung bei Bewerbungen und Praktikumssuche, Hilfe bei Behördengängen und einiges mehr. Momentan stehen insgesamt 25 Dozenten und Lernbegleiter den rund 200 jungen Menschen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren zur Seite, die jährlich das Street College nutzen. Diese Kernzielgruppe, so Tanja Ries, habe oft sogenannte multiple Problemlagen. Darunter seien beispielsweise Geflüchtete, aus dem Gefängnis Entlassene, Wohnungslose, arme Menschen, Menschen mit psychischen Herausforderungen und viele, die im regulären Bildungssystem keinen Platz gefunden haben. „Entsprechend unterschiedlich wurden von den Lernenden auch die pandemiebedingten Einschränkungen der vergangenen zwei Jahre wahrgenommen“, erklärt Tanja Ries. „Für die einen sind die Kontaktbeschränkungen belastend, weil sie den persönlichen Austausch brauchen. Anderen, die zum Beispiel aufgrund psychischer Probleme nicht die Wohnung verlassen wollen, kommt der von uns eingerichtete Online-Unterricht sehr entgegen.“

Gleichwohl, so Ries, stünden die Türen des Street College in der Kreuzberger Graefestraße 35 unter Berücksichtigung aller geltenden Corona-Regeln immer allen offen. Zumindest für die nächsten 18 Monate, denn bis dahin läuft die kürzlich bewilligte Bund-Länder-Förderung zur Schließung von pandemiebedingten Lernlücken. Spenden sind trotzdem immer willkommen.

Weitere Informationen zum Street College gibt es unter ¿50 59 59 80 und im Internet auf www.streetcollege.de.

Autor:

Michael Vogt aus Prenzlauer Berg

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