Zuhörer auf vier Pfoten gesucht
Lesehunde-Projekt der Johanniter unterstützt Grundschüler beim Überwinden ihrer Leseschwäche
Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen. Das geht aus der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) von 2021 hervor. Rund 25 Prozent der Kinder in dieser Altersstufe fehlt demnach ein Mindestniveau beim Textverständnis, das in der weiteren Schulzeit nötig wäre. Die Berliner Johanniter versuchen, dem entgegenzuwirken – mit einem außergewöhnlichen Projekt.
In Kooperation mit Schulen und Bibliotheken werden individuelle Vorlesesitzungen für Grundschüler mit Leseschwäche organisiert. Die Atmosphäre ist dabei besonders entspannt und das liegt vor allem am besonderen Publikum, den Johanniter-Lesehunden. „Unsere Lesehunde haben immer ein offenes Ohr für die Schüler“, sagt Grzegorz Wierciochin.
Der passionierte Literaturwissenschaftler ist seit sechs Jahren Ehrenamtskoordinator bei den Johannitern in Berlin. Zusammen mit seiner Kollegin Jana Richter rief Wierciochin das Berliner Lesehunde-Projekt 2021 ins Leben – unter dem Eindruck des Corona-Lockdowns, der die Probleme mancher Grundschüler unter anderem in Bezug auf die Lesekompetenz noch verschärft hatte. Das Lesehunde-Projekt basiert ursprünglich auf dem bereits 2008 in den USA etablierten R.E.A.D.-Konzept (Reading Education Assistent Dogs), das später von Vereinen in Süddeutschland übernommen wurde. Auch der Johanniter Regionalverband Potsdam-Mittelmark arbeitet bereits seit dem Jahre 2018 mit Lesehunden und bietet mittlerweile entsprechende Ausbildungswochenenden für Lesehunde und Hundeführer an.
Diese Ausbildung haben auch Grzegorz Wierciochin und Jana Richter mit ihren Hunden Gustav und Emmi durchlaufen. Dabei wird geprüft, ob die Hunde entspannt, wesensfest und für die Vorlesesituation geeignet sind. Frauchen und Herrchen müssen derweil in der Lage sein, ihre Hunde in allen Situationen jederzeit kontrollieren zu können. Außerdem werden basisdidaktische Fähigkeiten im Umgang mit Kindern vermittelt.
Am wichtigsten sei es, für die Kinder eine entspannte Wohlfühlatmosphäre herzustellen, so Wierciochin. Das nehme ihnen jene Ängste, die sie in Situationen mit dem gesamten Klassenverband hemmen. „Der Hund kritisiert nicht, hört geduldig zu und unterbricht nicht den Lesefluss. Das Kind gewinnt so an Selbstvertrauen, wird konzentrierter und kann in geschützter Atmosphäre spielerisch üben. So helfen Hunde den Schülern, die Freude am Lesen zu entdecken oder wiederzufinden“, erklärt Grzegorz Wierciochin. „Und das Feedback der beteiligten Schulen und Bibliotheken ist sehr positiv.“ Momentan gebe es beispielsweise eine sehr gute Kooperation mit einer Schule in Friedrichshain, in einer weiteren Schule in Schöneberg solle das Projekt bald starten. Zudem häuften sich die Anfragen von anderen Schulen und Bibliotheken.
Freiwillige willkommen
Um aber das Projekt Lesehunde bedarfsgerecht auszubauen, benötigen die Berliner Johanniter weitere Freiwillige, die bereit sind, mit ihren Hunden den Lesehunde-Führerschein zu absolvieren und ehrenamtlich mindestens einmal pro Woche in die Schulen zu gehen. Gleichzeitig sind Spenden gefragt, um die laufenden Kosten zu decken.
Diese fallen nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für den Lesestoff an, den die Lesehunde-Teams selbst mit in die Sitzungen einbringen. Grzegorz Wierciochin: „Wir verwenden zum Beispiel eine äußerst praktische Reihe von Lesebüchern, die alles von ersten Worten bis zu komplexen Texten umfasst und so für Erstklässer ebenso geeignet ist wie auch für Schüler höherer Klassen. Vor allem aber kommt, wie sollte es anders sein, mit Floppy ein Hund in der einen oder anderen Geschichte vor.“
Weitere Informationen über Projekt, Mitarbeit und Spendenmöglichkeiten finden sich im Internet unter bwurl.de/19of.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.