Wiedergutmachung für Pfarrer Klein
Evangelische Kirche rehabilitert nach Homosexuellen-Paragrafen verurteilten Pfarrer

In der Immanuelkirche war Friedrich Heinrich Klein ab 1935 Pfarrer. Dort soll am 1. September sein Ruf wiederhergestellt werden. | Foto: Bernd Wähner
  • In der Immanuelkirche war Friedrich Heinrich Klein ab 1935 Pfarrer. Dort soll am 1. September sein Ruf wiederhergestellt werden.
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Es ist ein Novum: Die Evangelische Kirche rehabilitiert erstmals einen Pfarrer, der von der NS-Justiz aufgrund des sogenannten Homosexuellen-Paragraphen 175 verurteilt und anschließend aus dem Kirchendienst entfernt wurde. Dies geschieht bei einem öffentlichen Gottesdienst am 1. September in der Immanuelkirche.

Es handelt sich um Pfarrer Friedrich Heinrich Klein, der ab 1935 an der Immanuelkirche diensthabender Pfarrer war. 1942 wurde er vom Reichskriegsgericht wegen Verführung eines 19 Jahre alten Mannes zu „widernatürlicher Unzucht“ zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Zudem wurde er aus dem Kirchenamt entfernt.

Im August erfuhr der Gemeindekirchenrat (GKR) der Immanuel-Gemeinde vom Schicksal Kleins und forderte seitdem vom Kirchenkreis und der Landeskirche „die Aufarbeitung der Causa Friedrich Klein und die Rehabilitierung des unrechtmäßig Verurteilten“. Damit will die Gemeindeleitung erreichen, dass die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) alle wegen ihrer sexuellen Orientierung aus dem Kirchdienst entfernten Mitarbeiter rehabilitiert.

Der Paragraph 175 wurde 1994 abgeschafft, der Bundestag hob 2002 alle entsprechenden nationalsozialistischen Urteile auf. Der Staat habe seine Aufgabe hinsichtlich des Paragrafen 175 wahrgenommen, „nun steht die gebotene kirchenrechtliche Rehabilitierung an“, sagt Uta Motschmann, Vorsitzende des Gemeindekirchenrats der Immanuel-Kirchengemeinde. Es sei gerade angesichts der aktuell wieder aufkommenden homophoben und rassistischen Ressentiments dringend erforderlich, dass „unsere Kirche ein unmissverständliches und klares Zeichen setzt“.

„Das war von Anfang an rechtswidrig"

Auch der Gesprächskreis Homosexualität der Advent-Zachäus-Kirchengemeinde (Pfarrsprengel Am Prenzlauer Berg) kritisiert den Umgang der Kirche im Fall von Pfarrer Klein: „Das war von Anfang an rechtswidrig! Wir sehen die Kirche hierfür auch besonders in der Verantwortung und Pflicht“, sagen Lothar Dönitz und Volker Gasser vom Gesprächskreis. Die Kirche habe „aus falschem biblischen Verständnis die Ablehnung homosexuellen Verhaltens über sehr viele Jahre begründet. Und damit auch Argumente zur Ablehnung, Diskriminierung, Ausgrenzung Homosexueller bis zur Strafgesetzgebung geliefert. Nicht vergessen, die Ermordung in den Konzentrationslagern.“

In dem Gottesdienst mit Bischof Dr. Christian Stäblein am 1. September soll das öffentliche Ansehen von Friedrich Heinrich Klein wiederhergestellt werden. Doch dies dürfe nur der erste Schritt sein. „Die Evangelische Kirche ist dringend aufgefordert, Forschungsarbeit zu dem Thema der in der Nazi-Zeit entlassenen Pfarrerinnen und Pfarrer zu leisten und alle Betroffenen umgehend zu rehabilitieren“, sagt Uta Motschmann.

Im Juni 1941 war der am 3. August 1905 in Homburg (Saar) geborene Friedrich Heinrich Klein zum Dienst in der Wehrmacht eingezogen worden. Drei Jahre zuvor hatte er einen Gottesdienst für den oppositionellen und wegen seiner Aktivitäten für die „Bekennende Kirche“ verhafteten Pfarrer Johannes Schwartzkopff von der Immanuelgemeinde abgehalten. Die NS-Justiz ermittelte bereits damals gegen Klein. 1941 kam er als Dolmetscher zur Wetterfunkempfangsstelle. Dafür musste Klein auch oft ins Ausland. Bei einem Heimataufenthalt in Berlin wurde er im Dezember 1941 festgenommen wegen des Verdachts der „widernatürlichen Unzucht" mit dem damals 19-jährigen Unteroffizier Karl-Heinz Scheuermann.

Erst Freispruch, dann drei Jahre Gefängnis

Friedrich Klein wurde vom Feldkriegsgericht des Höheren Kommandeurs der Luftnachrichtenschule im März 1942 zunächst wegen Mangels an Beweisen freigesprochen, der jüngere Mann auch. Im Herbst 1942 wurden aber beide Urteile kassiert und ihr Fall an das Reichskriegsgericht überwiesen. Das verurteilte Klein Ende November 1942 zu drei Jahren Gefängnis. Kurz darauf wurde er vom kirchlichen Konsistorium der Mark Brandenburg unter Verlust seiner geistlichen Rechte und Bezüge aus dem Kirchendienst entfernt. Heute ist Kleins Personalakte als einzige der an der Immanuelkirche tätigen Pfarrer im Evangelischen Landeskirchlichen Archiv nicht mehr auffindbar.

Klein kam ins Gefängnis Torgau. Im Juli 1944 wurde ihm die Möglichkeit der „Bewährung im Fronteinsatz“ angeboten. Er wurde an die vorderste Ostfront geschickt. Danach war sein Schicksal ungeklärt. Klein wurde erst 1975 per 31. Dezember 1945 für tot erklärt. Allerdings hat der auf Homosexualität und Nationalsozialismus spezialisierte Berliner Historiker und Publizist Günter Grau inzwischen herausgefunden, dass er schon wenige Tage nach seiner Verlegung an die Front unweit Leningrad umgekommen ist. Als „vermisst seit 1. August 1944“ ist der entlassene Pfarrer im Gedenkbuch der weltweit größten deutschen Kriegsgräberstätte Sologubowka, etwa 70 Kilometer südöstlich von St. Petersburg entfernt, verzeichnet.

Der Gottesdienst zum Gedenken an Pfarrer Friedrich Klein findet am Dienstag, 1. September, um 19.30 Uhr in der Immanuelkirche, Immanuelkirchstraße 1, statt. Aufgrund der Covid-19-Eindämmungsmaßnahmen ist die Anzahl der Teilnehmer begrenzt, eine schriftliche Anmeldung per E-Mail an gemeindeleitung@immanuelgemeinde.de erforderlich.

Autor:

Simone Gogol-Grützner aus Zehlendorf

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