Ausstellung zum Drehorgelbau
Familie Bacigalupo und ihr Handwerk
Mit der neuen Ausstellung „Musica di Strada – Italiener:innen in Prenzlauer Berg. Handel, Handwerk & Musik“ widmen sich das Museum Pankow und das Stadtmuseum Berlin einem Thema, das viele mit dem Bezirk Pankow vielleicht nicht sofort in Verbindung bringen würden: der Drehorgel-Produktion und den Drehorgelspielern.
Wer die Schönhauser Allee entlangschlendert oder hin und wieder in den Schönhauser Allee Arcaden unterwegs ist, hat sie vielleicht entdeckt: die Gedenk- und Informationstele, die an die früheren Werkstätten zur Herstellung mechanischer Musikinstrumente erinnert. Bekannt wurden diese Werkstätten vor allem durch ihre Produktion von Drehorgeln. Von diesen Instrumenten stammen viele aus den Werkstätten der Familie Bacigalupo. Diese Familiendynastie entwickelte ihre Betriebe ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert zu bedeutenden Produktionsorten mechanischer Musikinstrumente in Deutschland.
Märkisches Museum wird saniert
und stellt Musikinstrumente zur Verfügung
Dass zu den Drehorgeln, ihrer Produktion und zum Leben und Wirken der Italiener in Prenzlauer Berg nun eine Ausstellung zu sehen ist, dafür gibt es mehrere Gründe. Das Märkische Museum wird ab diesem Jahr saniert und umgebaut. Der Pankower Museumsleiter Bernt Roder fragte deshalb im Museum nach: Was macht ihr eigentlich mit den mechanischen Musikinstrumenten, die bei euch ausgestellt sind?
Aus dieser Nachfrage entwickelte sich in den zurückliegenden drei Jahren dieses ganz besondere Ausstellungsprojekt. Es werden zum einen mechanische Musikinstrumente aus dem Märkischen Museum ausgestellt. Zum anderen wird über die italienische Kolonie informiert, die es einst in Prenzlauer Berg gab, vor allem über die Produktion mechanischer Musikinstrumente der Familie Bacigalupo. Zu dieser Geschichte gab es bereits umfangreiche Recherchen des Museums Pankow. Und es gab auch schon vor einigen Jahren eine kleine Ausstellung zum Berliner Drehorgelbau und zum Pankower Original „Latschenpaule“, der mit bürgerlichem Namen Heinz Nerger (1917-2008) hieß.
Mechaniken müssen regelmäßig
gespielt werden
Der Direktor des Stadtmuseums Berlin, Paul Spies, ist von diesem Ausstellungsprojekt begeistert: „Das Problem bei den mechanischen Musikinstrumenten ist, dass wir sie nicht irgendwo in einem Depot einlagern können. Sie müssen nämlich regelmäßig gespielt werden, damit sie funktionstüchtig bleiben. Deshalb kommt uns diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Museum Pankow sehr entgegen.“
Auch die Lotto-Stiftung fand die Idee und die Zusammenarbeit zwischen dem Stadtmuseum und einem Bezirksmuseum so grandios, dass sie das Ausstellungprojekt fördert. „Diese Förderung ermöglichte uns, auch in Italien, und zwar in Ligurien, zur Geschichte der italienischen Wanderarbeiter zu recherchieren und zu forschen“, berichtet Bernt Roder. Denn dort kamen viele Italiener her, die Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin arbeiteten.
Wanderarbeiter seit Ende des 19. Jahrhunderts
„Für Berlin war es wichtig, dass diese Wanderarbeiter, die meist Handwerker waren, Fertigkeiten mitbrachten, die in der Stadt gebraucht wurden“, sagt Bernt Roder. Dazu gehörten viele Bauarbeiter, die zum Beispiel Meister im Verlegen von Terrazzoplatten waren. Aber auch Eishersteller und -verkäufer sowie Gastwirte zog es nach Berlin. Und es kamen auch Produzenten von mechanischen Musikinstrumenten, mit deren Geschichte sich die Kuratorin dieser Ausstellung, Anne Franzkowiak intensiv befasste.
Firma in der Schönhauser Allee
Die Italiener Giovanni B. Bacigalupo und Giuseppe Cocchi gründeten 1891 ihre Firma, in der sie mechanische Musikinstrumente herstellten. Sie taten sich mit dem Gastwirt Antonio Graffigna zusammen, der die von ihnen gebauten Drehorgeln verlieh. Straßenmusikanten zogen damals mit ausgeliehenen Drehorgeln durch Berlin, brachten Musik in die Höfe und spielten für die Menschen jene Rolle, die später das Radio übernahm: Sie brachten Neuigkeiten unters Volk. Die Firma Cocchi, Bacigalupo & Graffigna bestand bis 1903 an der Schönhauser Allee 78. Familienmitglieder von Giovanni B. Bacigalupo führten die Drehorgelbauer-Tradition später mit weiteren Betrieben an anderen Orten weiter.
Mehr zur Geschichte des Drehorgelbaus ist in der Ausstellung zu erfahren. Zu sehen und zu hören – und das macht den Reiz dieser Ausstellung aus – sind etwa 30 mechanische Musikinstrumente aus der Sammlung des Märkschen Museums. Dazu gehört auch das Orchestrion „Fratihymnia“. Viele Jahrzehnte war es in Gaststätten zu erleben, ehe es 1960 ins Museum kam.
Geöffnet ist die neue Ausstellung im Museum Pankow, Prenzlauer Allee 227/228, bis Ende 2025 jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt. Im Rahmen der Ausstellung finden Begleitveranstaltungen statt. Infos auf https://bwurl.de/19br.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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