Im Schutzgebiet der Gaslaternen
Gaslicht-Kultur kämpft seit 2010 für den Erhalt der historischen Straßenbeleuchtung
Wedding, Dubliner, Ecke Glasgower Straße, kurz vor der Dämmerung. „Wir sind hier in einem Gaslaternen-Schutzgebiet“, sagt Bertold Kujath und lehnt sich schmunzelnd an eine recht antik anmutende Straßenlaterne. „Das hier ist der wohl bekannteste Gasleuchtentyp in Berlin, eine BAMAG U7, Spitzname Bischofsmütze. Die kam zuerst in den 1920er-Jahren auf und wird in der heutigen Bauart seit 1950 verwendet.“
Der gebürtige Berliner und Diplomingenieur ist Experte auf dem Gebiet der Gaslaternen, hat er doch schon 1985 in seinem ehemaligen Kiez Westend als Teil einer Bürgerinitiative für den Erhalt dieser historischen Straßenbeleuchtung gekämpft. Aus der Initiative ging im Jahre 2010 der Verein Gaslicht-Kultur hervor, dessen Gründungsmitglied und 1. Vorsitzender Bertold Kujath heute ist. „Schon als Kinder sind wir auf die Laternen geklettert, und das warme Licht war uns sehr vertraut. Die Faszination für dieses Berliner Kulturerbe hat mich seitdem nicht mehr losgelassen“, erklärt Kujath.
Schon frühzeitig verschwanden immer mehr alte Laternen aus dem Stadtbild Berlins, damals immerhin das größte zusammenhängende gasbeleuchtete Stadtgebiet Europas. 2011 sah das Lichtkonzept des Senats schließlich sogar die Demontage aller 44.000 noch existierenden Gaslaternen in Berlin vor. Ein Grund mehr für Bertold Kujath und seine Mitstreiter, auf die Barrikaden zu gehen. Ihre Argumente unter anderem: Gaslaternen haben eine hohe Lichtqualität, verursachen weniger Lichtverschmutzung, sind für Insekten ungefährlicher wegen des fehlenden UV-Lichtanteils und haben nicht zuletzt eine große historisch-technische und kulturelle Bedeutung für die Stadt, – was sie wiederum zu einer Besucherattraktion macht. Bürgerinitiativen wurden gegründet, Petitionen verfasst, Proteste organisiert.
Nicht aufzuhalten
Gleichwohl war die fortschreitende Modernisierung durch LED-Technologie kaum aufzuhalten. Heute zieht Bertold Kujath eine nüchterne Bilanz: „Der Kampf um die Berliner Gaslichtlaternen ist vorbei, war aber auch nicht völlig umsonst. Von den derzeit noch 22.000 verbliebenen Exemplaren werden mindestens 3300 sicher erhalten bleiben. Dazu sind 32 Schutzgebiete festgelegt worden, hauptsächlich in Charlottenburg, Wilmersdorf, Kreuzberg, aber auch in Köpenick und Lichtenrade.“
Die Arbeit des heute rund 100 Mitglieder starken Vereins habe sich etwas verschoben, so Kujath. „Wir achten verstärkt auf die Umsetzung bestehender Vereinbarungen, schauen, wo Restaurierungs- und Instandsetzungsbedarf ist, kümmern uns um den Erhalt besonderer Exponate.“ Ein neuralgischer Punkt sei derzeit besonders das mit 90 Modellen bestückte Gaslaternen-Freilichtmuseum im westlichen Tiergarten, so Kujath. Das sei durch jahrelange Wartungsmängel und Vandalismus in einem schlechten Zustand und soll nun abgewickelt werden. „Wir verstehen durchaus, dass der Platz des Freilichtmuseums im Tiergarten nicht optimal ist“, erklärt Bertold Kujath. „Unser Ziel ist es deswegen, nach dem Abbau die Einlagerung und spätere Restaurierung möglichst aller dort aufgestellten Leuchten zu gewährleisten und sie später als Ensemble an einem geeigneten Ort wieder aufzustellen.“ Dazu benötigt der Verein nicht nur Spenden und Sponsoren, sondern auch geeignete Lagerstätten. Wer dabei helfen kann oder auch generell an einem Engagement für den Verein interessiert ist, findet im Internet auf gaslicht-kultur.de alle nötigen Kontaktinformationen.
Einen Einblick in die Historie der Berliner Gaslaternen – das erste Exemplar wurde übrigens bereits 1826 Unter den Linden von einer englischen Firma aufgestellt – bieten auch die vom Verein organsierten Führungen zu Fuß, per Rad oder im Doppeldeckerbus. Informationen dazu gibt es ebenfalls auf der Vereinsinternetseite oder telefonisch unter Tel. 0179 810 67 47.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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