Glaskolben für Telefunken
Gedenktafel an der ehemaligen Königstadtbrauerei erinnert an Zwangsarbeiter
In einer zugemauerten Fensternische im hinteren Teil des Gewerbehofs an der Saarbrücker Straße 24 ist eine Gedenk- und Informationstafel eingeweiht worden. Sie erinnert daran, dass in den Gewölbekellern der ehemaligen Königstadtbrauerei gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit geleistet wurde.
Als 1943 die Luftangriffe auf Berlin zunahmen, beschloss die Nazi-Rüstungsorganisation TODT, kriegswichtige Rüstungsproduktion in geschützte unterirdische Räume zu verlagern. Dazu zählten neben U-Bahntunneln und Bunkern auch Brauerei-Kellergewölbe. Als einer dieser unterirdischen Produktionsstandorte wurde ein Teil des Kellergewölbes der früheren Königstadtbrauerei ausgewählt. Dort sollte die Glaskolbenproduktion für Röhren und Senderröhren von Telefunken einen Ausweich-standort erhalten. Diese Röhren wurden in Radar- und Funkgeräten eingesetzt.
Damit die Produktion ungestört stattfinden konnte, mussten Zwangsarbeiter Umbauten und Deckenverstärkungen in den Brauereigewölben vornehmen. Dieser geheime Produktionsstandort wurde unter dem Tarnnamen Lore 3 geführt. Er war einer von insgesamt vier geplanten unterirdischen Produktionsstandorten von Telefunken. Bis vermutlich Ende 1944 fanden die Umbauarbeiten statt. Ob dann wirklich Röhrenglaskolben im Gewölbe produziert wurden, lässt sich heute nicht mit Bestimmtheit sagen.
Genossenschaft arbeitet
Geschichte auf
„In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges waren Zwangsarbeiter überall in Berlin eingesetzt“, berichtet Roland Borchers vom Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit. „Nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Stadtreinigung, in Kirchengemeinden und sogar in Privathaushalten. Sie waren also überall präsent. Aber nach Ende des Kriegs, als die Zwangsarbeiter zurück in ihre Heimatländer gingen, wurde das Thema Zwangsarbeit in Deutschland zunächst totgeschwiegen. Viele der etwa 3000 Zwangsarbeiterunterkünfte, die es in Berlin gab, wurden abgerissen. Deshalb lässt sich heute manches dazu nicht mehr mit Bestimmtheit sagen.“ Aber es sei mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass in den Gewölben der früheren Königstadtbrauerei Zwangsarbeiter beschäftigt wurden.
Dass es nun eine Gedenk- und Informationstafel in Erinnerung daran gibt, ist der Genossenschaft in der alten Königstadtbrauerei zu verdanken. Gewerbetreibende auf diesem Areal gründeten sie 1995, und 2003 erwarb die Genossenschaft die frühere Brauerei. „Von Anfang an haben sich Genossenschaftsmitglieder auch immer mit der Geschichte der Immobilien beschäftigt“, sagt Klaus Lemmnitz, der heutige Ehrenvorsitzende der Genossenschaft. Bereits von Anfang an gingen die Mitglieder davon aus, dass Telefunken Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den Kellergewölben einsetzte. Deshalb wurde 2013 auf einer Mitgliederversammlung der Beschluss gefasst, auf dem Gewerbehof eine Gedenk- und Informationstafel anzubringen.
Ausstellung über Lore-Standorte
Die Genossenschaftsmitglieder recherchierten weiter, nahmen Kontakt zum Historiker Thomas Irmer und zum Denkmalpfleger Bernhard Kohlenbach auf. Thomas Irmer beschäftigte sich dann in seiner Doktorarbeit intensiv mit den einstigen unterirdischen Telefunken-Produktionsstandorten. Er kam zu dem Schluss, dass an den Standorten mit den Tarnbezeichnungen Lore 1, 2 und 4 tatsächlich Kriegsproduktion von Telefunken stattfand. Zwar wurden in den Gewölben der Königstadtbrauerei Zwangsarbeiter für den Ausbau zum Produktionsstandort eingesetzt, aber Glaskolben für Röhren wurden gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wohl nicht mehr von Zwangsarbeiten hergestellt.
An die an diesem Standort eingesetzten Zwangsarbeiter erinnert nun eine Gedenk- und Informationstafel, die von Pawel Kocambasi gestaltet wurde, der auf dem Gewerbehof arbeitet. Auf dieser findet sich auch ein QR-Code, über den Interessierte mit ihrem Smartphone Näheres über die geschichtlichen Hintergründe erfahren können. Im Gewölbekeller befindet sich außerdem eine Ausstellung, die über die Geschichte der vier Lore-Standorte von Telefunken in den letzten Jahren der NS-Zeit informiert. Diese Ausstellung ist bei Führungen und nach Terminabsprache zu besichtigen.
Näheres, auch zu Kontaktmöglichkeiten, findet sich auf www.gidak.de.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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