Daniel Jüttner hat ein Kochbuch über des Schwaben liebstes Kind veröffentlicht
Prenzlauer Berg. Er ist Schwabe, lebt in Prenzlauer Berg, und er hat ein Kochbuch über Maultaschen geschrieben. Daniel Jüttner scheint ein wandelndes Klischee zu sein.
Aber nur auf den ersten Blick: Der 32-Jährige spricht dialektfrei. Er ist nicht besonders sparsam und hasst die „Kehrwoche“, diese seltsame Tradition, Mieter reihum zur Treppenhausreinigung zu verpflichten. Nach Berlin kam er im Oktober 2012. Seine Arbeitgeberin, eine Hilfsorganisation, war in die Hauptstadt umgezogen. Knall auf Fall musste er dort einen Schlafplatz finden. Er landete auf der Couch eines Freundes – in Prenzlauer Berg. „Dieser Name hat mir überhaupt nichts gesagt“, erinnert sich Jüttner.
Doch schnell wurde ihm klar, wohin er geraten war. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Thierse hatte gerade öffentlich geäußert, er wolle in seinem Wahlkreis beim Bäcker Schrippen und keine Wecken kaufen. Daraufhin bewarfen erboste Baden-Württemberger die Skulptur auf dem Kollwitzplatz mit Spätzle und riefen ein freies „Schwabylon“ aus.
Daniel Jüttner war dieser Streit herzlich egal. „Ich wollte nur mit dem Fahrrad zur Arbeit in Mitte fahren können und hatte vor, nach Kreuzberg oder Wedding zu ziehen.“ Allein: Als er nach 30, 40 Besichtigungen endlich eine Wohnung fand, lag sie am Prenzlauer Berg. Also blieb er.
Er genießt die Großstadt, das Leben-und-leben-Lassen, die Theaterkultur, die kulinarischen Angebote. „Anfangs bin ich jede Woche in ein anderes Restaurant gegangen, von äthiopisch bis norwegisch“, sagt er. Das änderte aber nichts an seiner Verbundenheit mit der heimischen Küche samt Sonntagsbraten, armen Rittern und – Maultaschen.
Jedes Schwabenkind kennt sie: die Hülle aus Eiernudelteig, die Füllung („Fülle“) aus Hackfleisch, Kräutern und Brät. Ihr Ursprung soll im Kloster Maulbronn liegen, wo die Mönche einst während der Fastenzeit unwiderstehliche Lust auf Fleisch packte. Sie hackten es kurzerhand klein und versteckten es im Teig, – aus gutem Grund spricht der Volksmund von „Gottbscheißerle“.
Natürlich wuchs auch Jüttner mit Maultaschen auf. Seine Oma knetete jede Woche in großer Menge Teig, rollte ihn aus und füllte ihn. Was nicht augenblicklich verzehrt wurde, fror sie ein. In späteren WG-Zeiten erinnerte sich Student Daniel an die häuslichen Genüsse, schwor dem Fastfood ab und werkelte mit seinen Mitbewohnern an neuen Kreationen.
Einer dieser früheren Mitbewohner ist Henning Drews, Exil-Schwabe in Kiel. Die Freunde kamen vor drei Jahren auf die Idee, ihre Rezepte zusammenzutragen. „Wir wollten sie ausdrucken und an Freunde und die Familie verschenken“, so Jüttner. Doch mit den Rezepten hingen Erinnerungen und Anekdoten zusammen, die ebenfalls aufgeschrieben werden wollten.
Angesichts der Materialfülle entschlossen sich die beiden schließlich zu einem Lese- und Kochbuch. Und darin gehen sie gründlich vor. So erörtern sie das Für und Wider des Kaufs von Fertigteig, der in Schwaben übrigens bei jedem Metzger zu haben ist. Sie widmen sich den elementaren Fragen wie: Gehören Maultaschen in die Suppe oder entsprechen die geschmälzten (in Fett gebratenen) der klassischen Zubereitungsform? Findet die Verwendung von Käse Gnade in Puristen-Augen?
Neben Familienrezepten präsentieren sie aber auch viele neue Ideen: Spargelgerichte, ein Lauch-Speck-Maultaschenauflauf, thailändische, griechische, spanische, pommersche und sogar süße Varianten. Schließlich erfährt der Leser viel über die schwäbische Lebensart, und auch ein Glossar ist angefügt, damit auch der Berliner Leser von Weisheiten wie „‘s gibt nix Besseres wie ebbes Guats!“ profitieren kann.
Und weil dem Tüchtigen das Glück hilft, gesellte sich schließlich ein dritter Mitstreiter zum Autoren-Duo – ein Freund aus Schultagen, der Fotograf Valentin Marquardt. Fast alle Bilder entstanden an einem einzigen Tag. „In der Küche von Hennings Schwester haben wir von 7 bis 23 Uhr gekocht, angerichtet, fotografiert und ein Chaos hinterlassen“, erzählt Jüttner. Das Gesamtpaket überzeugte gleich den ersten Verlag, den das Trio kontaktierte. Das Buch ging in Druck. sus
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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