Elf Jahrzehnte Leben: Magarete Grahl ist die älteste Pankowerin
Prenzlauer Berg. Einen runden Geburtstag konnte vor wenigen Tagen die älteste Bewohnerin des Bezirks Pankow feiern. Magarete Grahl wurde 110 Jahre alte.
Seit einigen Jahren lebt sie gut betreut in einem Haus der Seniorenstiftung Prenzlauer Berg. Als ihre Tochter und ihr Schwiegersohn das helle Zimmer in der Gürtelstraße 33 zum Geburtstag betreten, sagt sie: „Ich fühl mich wohl!“. Das zeigt, dass ihre Lebensfreude ungeschmälert ist. Und dann gibt es eine Kaffeetafel.
Gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder kam Magarete Grahl in den 1920er-Jahren nach Berlin. Hier wurde sie später zur Stenotypistin ausgebildet und arbeitete bis 1942 als Sekretärin. Dann gab sie die feste Anstellung auf und ernährte die Familie durch Nähen in Heimarbeit. Damit bestritt sie ihren Lebensunterhalt bis zum Rentenalter.
Die Kaiserzeit, NS-Zeit, zwei Weltkriege, die DDR und die deutsche Wiedervereinigung hat sie miterlebt. Zu den einschneidenden Erlebnissen gehört, dass der Bruder nach Kriegsende abgeholt und nach Sachsenhausen gebracht wurde. Das ehemalige KZ, von den Sowjets nach dem Ende des Nationalsozialismus noch bis 1950 als eines von drei Speziallagern weitergeführt, hat der Bruder nicht überlebt. Er hinterließ eine Tochter. Nach seinem Tod zog Magarete Grahl ihre Nichte mit auf.
Im Zweiten Weltkrieg zerstörte eine Bombe das Haus, in dem sie mit den Eltern wohnte. Danach zog sie in eine Wohnung in der Hiddenseer Straße. „Zwei Stuben und ein Durchgangszimmer waren über viele Jahre unser Zuhause“, erinnert sich ihre Tochter, Barbara Lehne.
Auf engem Raum lebten Großmutter, Mutter Margarete, Tochter, später deren Ehemann Volker und seit den 1960er-Jahren auch deren beide Kinder in der Wohnung. „Sie hat unsere Großmutter bis zum Tod versorgt“, berichtet Barbara Lehne, „und sie hat ihre Enkel mit großgezogen.“
Barbara und Volker Lehne hatten früh geheiratet. Magarete Grahl half sehr. Enkel Mario war bis zum Kindergartenalter in der Nähstube an Großmutters Seite. Und heute kümmert er sich noch sehr um sie.
Als Näherin saß Margarete Grahl auch im hohen Alter so manches Mal "bis in die Puppen“ an ihrer Nähmaschine. Erst als sie etwa 90 Jahre alt war, hörte sie damit auf. Und sie war schon über 100 Jahre, als sie sich entschloss, in eine Wohnung der Seniorenstiftung Prenzlauer Berg zu ziehen.
In ihrer Freizeit reiste Magarete Grahl gern. Sie fuhr hinaus ins Grüne zu Freunden und Bekannten, zum Müggelsee oder nach Grünheide. Besondere Höhepunkte waren Reisen nach Thüringen oder an die Ostsee. Als sie Rentnerin geworden war, konnte sie auch endlich nach Mannheim fahren und ihre Nichte und Ziehtochter wiedersehen. 1997 ging es sogar nach London, um Enkeltochter Kerstin zu besuchen. Bei der Gelegenheiti ist sie auch, mit 90 Jahren, das erste Mal geflogen und es hat ihr große Freude gemacht.
Für große Feierlichkeiten, lange Spaziergänge oder eine Fahrt nach Oranienburg in den Garten der Kinder reichen die Kräfte der 110-Jährigen leider nicht mehr aus. Deshalb bringen Kinder und Enkel bei ihren Besuchen die „Welt da draußen“ mit in die Stube und lassen sie so an ihrem Leben teilhaben. BW
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.