So beliebt wie vor über 100 Jahren
Pantoffelmacher Reno Jünemann hält dem Handwerk in vierter Generation die Treue
Auf 15 Jahre als Chef im Pantoffel-Eck kann Reno Jünemann in diesem Jahr zurückblicken. Zwar ist er gelernter Orthopädieschuhmacher. Aber in Berlin ist er vielen als einziger noch verbliebener Pantoffelmacher bekannt.
Sein Pantoffel-Eck in der Torstraße 39 kennen inzwischen nicht nur zahlreiche Berliner. Auch für Touristen aus aller Welt ist diese Manufaktur im Souterrain ein beliebter Anziehungspunkt. Denn dort werden die Pantoffeln tatsächlich ganz traditionell in Handarbeit hergestellt. Dort stanzt Reno Jünemann die Teile noch mit einer Maschine aus dem Jahr 1936. Und seinen Recherchen nach ist er wohl weit und breit der einzige, der seine Pantoffeln noch mit einer Durchnähnaht herstellt.
Eine weitere Besonderheit ist sicherlich, dass er das Handwerk des Pantoffelherstellers bereits in vierter Generation ausübt. Im kommenden Jahr kann die Manufaktur deshalb auf stattliche 115 Jahre zurückblicken. Das liegt unter anderem auch daran, dass Pantoffeln nie so richtig aus der Mode gekommen sind. Wer nach seinem Arbeitstag nach Hause kommt, will die Straßenschuhe gegen bequemeres Schuhwerk tauschen.
Auch junge Leute begeistern sich
für Pantoffeln
„Es ist schon phänomenal, dass nicht nur ältere, sondern auch immer mehr junge Leute den Pantoffel als bequemes Schuhwerk für zu Hause entdecken“, stellt Reno Jünemann fest. Als sein Urgroßvater, Bernhard Jünemann, 1908 die Pantoffeldynastie mit seinem Handwerk begründete, florierte das Geschäft sofort. Es war in Bürgerhäusern wie in Arbeiterfamilien üblich, dass den Vätern nach dem Tagwerk daheim die Pantoffeln übergestreift wurden.
Auch als Großvater Otto 1927 den Betrieb fortführte, konnte er auf den Erfolg des Produktes bauen. In kalten Wintern bekam man in den Mietshäusern ohne richtiges, wärmendes Schuhwerk „Eisbeine“. Die Sohlen wurden seinerzeit schon, damals ganz modern, mit einer elektrischen Maschine ausgestanzt. Und an solch einer Maschine arbeitet Reno Jünemann noch heute.
Die Stoffe werden dann in althergebrachter Weise über Leisten gezogen und festgezwickt. Mit der Durchnähmaschine wird der Pantoffel zu Ende gefertigt, und letztlich werden die Einlegesohlen eingeklebt, alles so wie bereits vor über 100 Jahren. Anfang der 1990er Jahre hatte es Reno Jünemanns Vater Günter mal mit einer modernen Maschine versucht. Doch die hielt nicht lange. Die Reparatur war zu teuer. „Die alten Maschinen kann ich wenigstens noch selbst reparieren“, sagt Reno Jünemann.
Hausschuhe für die Welt
Der 47-Jährige ist seit 2007 alleiniger Geschäftsführer im Pantoffel-Eck. Aber wenn viele Aufträge abzuarbeiten sind, kommt sein Vater mit seinen 83 Jahren immer noch hinzu und hilft. Etwa 15 000 bis 18 000 Paar Pantoffeln produzierte Reno Jünemann mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen im Jahr. Etwa zwanzig verschiedene Modelle in den Größen von 23 für Kinder bis 52 für Menschen, die auf großem Fuß leben, sind im Angebot. Und das Pantoffel-Eck sorgt nicht nur für warme Füße in Berlin, sondern in aller Welt. Über die Internetadresse www.pantoffeleck.de werden Kunden auf diese Berliner Manufaktur aufmerksam. „Wir lieferten zum Beispiel bereits nach Österreich, in die Schweiz, nach Belgien und Dänemark, sogar bis in die USA“, berichtet Reno Jünemann. „Inzwischen ist das Verhältnis von Direktverkauf und Internetversand etwa 50 zu 50 Prozent.“
Eingestellt wurde Reno Jünemann 1991 von seinem Vater Günter im Pantoffel-Eck. Dass er nach so vielen Jahren im Beruf noch immer Spaß an seiner Arbeit hat, merkt man ihm sofort an, wenn er über seine Motivation spricht. „Der Grundgedanke des Handwerks ist ja, dass man mit seinen Händen etwas herstellt und am Ende ein tolles Produkt hat“, sagt Reno Jünemann. „Wenn man dann von Kunden hört: Es ist schön, dass es sie noch gibt, und ein positives Feedback bekommt, dann motiviert das sehr.“ Und der Pantoffelmacher gesteht: „Wenn ich mal Urlaub habe, den ich auch wirklich genieße, dann freue ich mich tatsächlich darauf, wenn ich wieder zu Hause bin, dass es mit der Arbeit wieder losgeht.“
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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