Kompliziertes einfach erklärt
Broschüre in leichter Sprache wendet sich an Menschen mit geistiger Behinderung
Berlin sieht einem Superwahltag am 26. September entgegen. Die Wahl von Bundestag, Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlungen, dazu noch ein Volksentscheid stehen auf dem Programm. Ein ordentliches Stimmzettelpaket, das schon der „Normalbürger“ nicht leicht überblicken dürfte. Wie erst muss es da wahlberechtigten Menschen mit geistiger Behinderung ergehen?
Genau diesem Thema widmet sich Rita Hübenthal-Montero in ihren Seminaren und Stadtführungen. In diesem Kontext entstand die Broschüre des Unionhilfswerks „Das politische Berlin – leicht erklärt“. Rita Hübenthal-Montero, gelernte Erzieherin, langjährige Mitarbeiterin in der Behindertenhilfe des Unionhilfswerks und zertifizierte Stadtführerin, hat mit der Broschüre zwei ihrer wichtigsten Tätigkeitsbereiche zusammengebracht.
„Ich bin zweisprachig in Ecuador aufgewachsen und leite in Berlin seit 20 Jahren spanischsprachige Führungen. Bei Spaziergängen mit einer Gruppe betreuter Menschen aus dem Unionhilfswerk kam mir die Idee, Stadtführungen auch in einfacher Sprache anzubieten. Denn Vergleichbares gab es zu diesem Zeitpunkt nicht“, erklärt Rita Hübenthal-Montero. Dazu kam, dass das Wählen erst seit dem Jahre 2017 für geistig behinderte Personen mit gesetzlicher Betreuung in allen Lebensbereichen auf Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention möglich ist. Zu dieser Gruppe gehören derzeit in Deutschland mehr als 80 000 Menschen.
„Zwar gibt es dieses Gesetz, aber wer erklärt den Behinderten nun die Demokratie, die Bedeutung der Wahl und das durchaus komplizierte Wahlsystem?“, fragte sich Hübenthal-Montero – und erstellte für das Unionhilfswerk und mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung die Broschüre, die Menschen mit geistiger Beeinträchtigung als eine wichtige Wählergruppe erreichen soll. „Denn diese Menschen stellen Fragen und bilden, wenn man ihnen Zusammenhänge gut erklärt, auch eine Position und Meinung zu Themen.“ Diese und andere Erfahrungen aus ihren Führungen halfen Rita Hübenthal-Montero bei der Konzeption der Broschüre. Wichtig sei die Anschaulichkeit in Bildern und einfachen Sätzen. Denn bei zu akademischen Erklärungen stiegen die meisten sofort aus, so Hübenthal-Montero.
Parallel dazu bietet die Erzieherin Stadtführungen und Seminare speziell zur Wahl für diese Zielgruppe an. In denen werden zum Beispiel Originalwahlzettel erklärt und Slogans aus Wahlprogrammen Parteien zugeordnet. Dabei, so Hübenthal-Montero, sei ihr aufgefallen, dass alle Parteien zu den Behindertenrechten eher allgemeine und unkonkrete Aussagen treffen. Immerhin aber würden fast alle ihre Programme auch in einfacher Sprache präsentieren.
Wählen ist ein wichtiges Grundrecht
Beim Aufbau der Broschüre war es Rita Hübenthal-Montero zunächst wichtig zu erklären, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist und es in diesem Land schon andere politische Systeme gegeben hat. Die Kernaussage: Wählen ist in der Demokratie ein wichtiges Grundrecht, das unbedingt wahrgenommen werden sollte. „Und wenn man es genau nimmt, haben die geistig Behinderten im Wählen oft durchaus Übung aus ihrem Alltag. Denn in den betreuten Wohngemeinschaften müssen stets Entscheidungen gefällt werden: Wer kocht was, wann wird geputzt und vieles mehr“, sagt Rita Hübenthal-Montero. „Und bei aller Vereinfachung der Sprache in der Infobroschüre darf man ihnen nie das Gefühl geben, dass sie nicht ernst genommen werden!“
Informationen zur Broschüre, zu Stadtführungen und Seminaren gibt es auf berlin-in-leichter-sprache.de. Die Broschüre liegt kostenlos in der Landeszentrale für politische Bildung, Hardenbergstraße 22-24, aus, kann per E-Mail info@berlin-inleichtersprache.de oder auf https://bwurl.de/1727 heruntergeladen werden.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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