„Die Jüngeren nicht alleine lassen!“
Im März werden in den Bezirken die Seniorenvertretungen neu gewählt – erstmals auch per Briefwahl
Vom 14. bis 18. März sind über 900.000 Menschen ab 60 Jahren aufgerufen, die Seniorenvertretungen in den Bezirken zu wählen. Im Alter mitwirken und mitgestalten, die Teilhabe an gesellschaftspolitischen Entscheidungen in der Stadt nicht nur den Jüngeren überlassen, das sind die Beweggründe des Engagements von Johanna Hambach. Die Verfahrenstechnikerin und Doktorin der Philosophie ist seit 2012 Vorsitzende des Berliner Landesseniorenvertretung.
Grundlage für die kommenden Wahlen ist das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz von 2006, das 2016 novelliert wurde. Es zielt unter anderem darauf ab, „die aktive Beteiligung der Berliner Seniorinnen und Senioren am sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben zu fördern“. Große Worte, deren praktische Umsetzung allerdings aus Sicht von Johanna Hambach zu wünschen übrig lässt. Der Aufruf an die Verwaltungsgremien zur Unterstützung und Beteiligung der Senioren habe nämlich lediglich Empfehlungscharakter, es mangele an Rechtsverbindlichkeit. Gleichwohl sieht Johanna Hambach in der Novellierung einen Vorteil: „2016 wurde erstmals die Möglichkeit der Briefwahl festgeschrieben, was den älteren Menschen jetzt in der Pandemie zugute kommt.“
Durchwachsene Bilanz
Im Rückblick auf die letzte Wahlperiode fällt Hambachs Bilanz der Arbeit der Seniorenvertretungen durchwachsen aus. „Beim Mobilitätsgesetz haben wir besonders im Fußverkehrsteil bei Sicherheit und Barrierefreiheit einen Riesenschritt nach vorne gemacht, denn wir waren in den Gremien direkt beteiligt und haben dazu beigetragen, dass das Gesetz im Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Das ist wichtig, denn wer zu seinem Auto oder zum öffentlichen Personennahverkehr gelangen möchte, ist zunächst einmal Fußgänger.“
Beim Thema Altenhilfe rund um den Paragraphen 71 SGB XII, so Hambach, gebe es dagegen noch viel zu tun, denn diese gesetzliche Regelung sei viel zu unverbindlich. Das spiegele auch die völlig unterschiedliche Bedeutung wider, die der Altenhilfe in den Bezirken beigemessen werde. Umso mehr freut es Johanna Hambach, dass nun für alle Bezirke immerhin zwischen 14 und 32 Kandidaten für die Wahl gefunden wurden.
Ein Problem bleibe derweil die zwar wachsende aber insgesamt noch viel zu niedrige Wahlbeteiligung. Johanna Hambach: „Natürlich müssen wir für die Wählerschaft sichtbarer und mit unseren Anliegen interessanter werden, um zum Beispiel mehr Medienpräsenz zu erlangen. Aber ich habe auch den Eindruck, dass Wahlbenachrichtigungen oft schlicht ignoriert werden, weil man nicht wahrhaben will, dass man ein Alter erreicht hat, in dem man als Seniorin oder Senior bezeichnet wird.“
Broschüre bis Videoclip
Auch das Kennenlernen der Kandidaten gestaltet sich – zumal in der Pandemie – nicht ganz unkompliziert. Neben den in den Briefwahlunterlagen beiliegenden Informationsbroschüren gibt es aber je nach Bezirk unterschiedliche Möglichkeiten, sich ein Bild von den potenziellen Interessenvertretern zu machen. „In Treptow-Köpenick stellen sich die Kandidaten zum Beispiel in den Kiezclubs vor, unter anderem auch mit Videoclips, die sie zuvor von sich produziert haben“, sagt Hambach.
Und was zeichnet nach ihrer Meinung die Stärken älterer Menschen in ihrem politischen Engagement aus? Für Johanna Hambach liegt das klar auf der Hand: „Wir haben mit unseren Erfahrungen eine etwas andere Sicht auf die Dinge und damit vielleicht auch andere Möglichkeiten der Problemlösungen im Hinterkopf. Und vor allem können wir die Jüngeren bei wichtigen politischen Entscheidungen nicht alleine lassen, denen muss man doch helfen!“
Informationen zur Wahl der Seniorenvertretungen in den Bezirken finden Sie auch im Internet unter ü60.berlin. Briefwahlunterlagen können noch bis zum 28. Februar beantragt werden.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.