Reno Jünemann pflegt ein altes Handwerk
Reno Jünemanns Handwerk findet man nur noch selten. Das "Pantoffeleck" in der Torstraße 39, an der Grenze zu Mitte, ist daher für alle Pantoffelliebhaber der Insidertipp schlechthin. "Es ist schon phänomenal, dass nicht nur ältere, sondern auch immer mehr junge Leute den Pantoffel als bequemes Schuhwerk für zu Hause entdecken", lächelt Jünemann. Als sein Urgroßvater Bernhard Jünemann 1908 die Pantoffeldynastie begründete, florierte das Geschäft mit den Hausschuhen. Es war in Bürgerhäusern wie in Arbeiterfamilien üblich, dass den Vätern nach dem Tageswerk daheim die Pantoffel übergestreift wurden.Auch als Großvater Otto 1927 den Betrieb fortführte, konnte er auf den Jünemannscher Pantoffeln bauen. In kalten Wintern bekam man in den Mietshäusern ohne wärmendes Schuhwerk "Eisbeine". Die Sohlen wurden seinerzeit schon ganz modern mit einer elektrischen Maschine ausgestanzt, und das ist heute noch so.
Die Stoffe werden dann in althergebrachter Weise über Leisten gezogen und festgezwickt. Mit der Durchnähmaschine wird der Pantoffel fertiggestellt, und letztlich werden die Einlegesohlen eingeklebt. "Unsere Stanze stammt aus dem Jahre 1936, die anderen Maschinen sind von 1957", erklärt Reno Jünemann stolz. Nach der Wende hatte es sein Vater mal mit einer modernen Maschine versucht. Doch die hielt nicht lange durch. Die Reparatur war zu teuer. "Die alten Maschinen kann ich wenigstens noch selbst reparieren", sagt Jünemann. Der 38-Jährige führt den kleinen Betrieb heute. Aber Vater Günter, heute 75 Jahre alt, ist immer noch jeden Tag im Laden.
Der Senior schließt früh um 6 Uhr die Werkstatt auf, liest in Ruhe seine Zeitung und wartet auf seinen Sohn. Danach stellt er sich hinter die Stanze und nimmt seinem Sohn ein gehöriges Stück monotone Arbeit ab. Etwa 15 000 Pantoffel produzierte Reno Jünemann, der gelernter Orthopädie-Schuhmacher ist, jedes Jahr.
"Besonders begehrt sind immer noch die Kamelhaarpantoffel", so Jünemann. "Die sehen im Design immer noch so aus wie 1908 und sind vor allem bei den jungen Leuten sehr beliebt." Junge Leute kommen auch hin und wieder zur Besichtigung des Betriebs. "Vor allem für Kita-Gruppen und Grundschüler ist es interessant, so ein altes Handwerk hautnah zu erleben", sagt Reno Jünemann. Aber auch junge Leute, die sich zu Schuhverkäufern ausbilden lassen, verbringen einen Tag in der Werkstatt. "Wer Schuhe verkauft, sollte schon wissen, wie sie hergestellt werden", meint der Handwerker.
Auch wenn sich in dem kleinen Pantoffelbetrieb über die Jahre nicht viel verändert hat, zumindest im Vertrieb hat neue Technik Einzug gehalten. Auf www.pantoffeleck.de bietet Reno Jünemann seine Hausschuhe im Internet an. "Die Resonanz ist erstaunlich. Wir haben Bestellungen aus der ganzen Welt, sogar aus Japan und Amerika", sagt er stolz.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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