Ute Schnur erhielt den Verdienstorden des Landes Berlin
Viele, die der stellvertretenden Vorsteherin der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) das erste Mal begegnen, sind ein wenig verunsichert. Die 58-Jährige sitzt im Rollstuhl. Wenn sie spricht, geht das immer etwas stockend. Der Grund sind spastische Lähmungen. Man muss genau zuhören. Aber was sie sagt, ist genau durchdacht. Beruflich war Ute Schnur viele Jahre als Übersetzerin tätig. Nach dem Abitur hatte sie im Fernstudium an der Karl-Marx-Universität in Leipzig Englisch studiert. Populärwissenschaftliche Texte, meist von amerikanischen Autoren, übertrug sie danach ins Deutsche. In der Wendezeit initiierten Menschen mit Behinderung einen Aufruf zur Gründung eines Behindertenverbandes in Berlin. "Den unterschrieben ich und mein Mann Stephan. Wir gründeten danach den Behindertenverband Berlin mit", sagt Ute Schnur.
Als dann 1991 die Behindertenvereinigung Prenzlauer Berg entstand, wurde sie auch dort Mitglied und 1997 deren Vorsitzende. "Viele Jahre haben wir zum Beispiel für die Absenkung von Bordsteinkanten an Straßenkreuzungen gekämpft", erinnert sich Ute Schnur. "Hier hat sich inzwischen viel getan." Auch behindertengerechte Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen wurden immer wieder angemahnt. "Da hat inzwischen ein richtiges Umdenken stattgefunden. Heute ist es Standard, dass neue öffentliche Einrichtungen gleich barrierefrei gebaut werden."
Dass sie sich nicht nur in der Behindertenvereinigung, sondern auch politisch engagiert, begründet Ute Schnur: "Ich merkte, dass wir als außerparlamentarische Vereinigung zwar Anregungen geben können, aber Entscheidungen werden letztlich in der Politik gefällt." Ihr Einstieg in die Kommunalpolitik begann 1992 als Bürgerdeputierte. Seinerzeit hatten sich Bürgerrechtsparteien und -organisationen zu einer Wählergemeinschaft Prenzlauer Berg zusammengeschlossen. Das Bündnis schaffte den Einzug in die Bezirksverordnetenversammlung - und suchte Bürgerdeputierte aus unterschiedlichen Lebensbereichen für die Mitarbeit in BVV-Ausschüssen.
Ute Schnur bewarb sich und wurde Deputierte im Sozialausschuss. Bei der nächsten Wahl wurde sie vom Bündnis als Kandidatin für die BVV aufgestellt. Seit 1995 ist Ute Schnur inzwischen Bezirksverordnete. Bei den folgenden Wahlen wurde sie von Bündnis 90/Die Grünen aufgestellt, deren Mitglied sie inzwischen auch ist. Im Laufe der Jahre arbeitete die Verordnete in mehreren Ausschüssen mit. Seit 2003 ist sie außerdem im Vorstand der BVV, und 2011 wurde sie zur stellvertretenden Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung gewählt. In diesem Ehrenamt ist sie jede Woche viele Stunden beschäftigt. Neben der Vorbereitung auf Ausschusssitzungen und Tagungen der BVV ist sie viel unterwegs, um aktuelle bezirkspolitische Themen zu recherchieren oder Termine in Vertretung der BV-Vorsteherin Sabine Röhrbein wahrzunehmen.
Dass sie das alles schafft, ist auch ihrem Mann Stephan Schnur zu verdanken. Er bringt seine Frau zu Veranstaltungen und kennt sich inzwischen selbst in der Bezirkspolitik sehr gut aus. Kein Wunder, dass auch er inzwischen kommunalpolitisch aktiv ist - als Bürgerdeputierter im Ausschuss für Bürgerbeteiligung. Dass seine Frau jetzt mit dem Verdienstorden ausgezeichnet wurde, empfindet er als tolle Anerkennung für ihre Arbeit. "Ich denke, weil sie selbst behindert ist, hört man ihr ganz anders zu, als wenn ein Mensch ohne Behinderung über Themen wie Barrierefreiheit spricht. Dadurch gelingt es ihr, andere Menschen für die Probleme zu sensibilisieren", sagt er.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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