Viel über das Leben lernen
Chris Charlesworth arbeitet seit einem Jahr ehrenamtlich im ambulanten Hospizdienst

Die Engländerin Chris Charlesworth blieb 2014 zum zweiten Mal in Berlin „hängen“. | Foto:  Michael Vogt
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Sterbende Menschen in der letzten Lebensphase zu begleiten und den Angehörigen und Freunden beizustehen, das ist herausfordernd und lehrreich zugleich. Chris Charlesworth hat sich den ambulanten Hospizdienst der Volksolidarität zur ehrenamtlichen Aufgabe gemacht – und in der Begegnung mit dem Tod viel gelernt.

Die 67-jährige Dolmetscherin aus Liverpool, die schon von 1980 bis 1993 in West-Berlin gewohnt hatte, kam im Jahre 2014 zum Mauerfall-Jubiläum zurück, wollte nur schauen, ob auch zusammenwächst, was zusammengehört. Es sei wie eine alte Liebe gewesen, und so blieb sie im „neuen“ Berlin wieder hängen.

Genau das Richtige

„Während der Pandemie habe ich dann angesichts der schwierigen Situation der Menschen und der vielen Todesfällen in den Krankenhäusern eine große Hilflosigkeit verspürt“, sagt Chris Charlesworth. „Da ich niemand bin, der auf die Straße geht, um zu demonstrieren, wollte ich etwas im Kleinen bewirken, von Mensch zu Mensch.“ Eine Anzeige in der Berliner Woche brachte sie auf die Idee, sich beim Einführungskurs für ehrenamtliche Hospizarbeit der Volkssolidarität zu bewerben. Als der Kurs nach Verzögerung im September 2020 dann endlich starten konnte, wurde ihr schnell klar, dass dies für sie genau das Richtige ist. „Es war ein toller Kurs mit sympathischen Menschen unterschiedlichen Alters und mit ganz unterschiedlichen Lebenshintergründen in einer von Respekt und Toleranz geprägten Atmosphäre.“

Den Einstieg in die Praxis erleichterten ihr zwei Teilnehmer, die bereits praktische Erfahrungen gemacht hatten und hilfreiche Tipps zur Hospizarbeit geben konnten. Diese Arbeit stellte sich praktisch als etwas anders heraus als gedacht, so Charlesworth. „Ich habe schnell gemerkt, dass der Begriff Sterbebegleitung weniger treffend ist als die englische Bezeichnung ‚end of life companion‘. Denn wir begleiten die Menschen nicht nur beim Sterben, sondern vor allem in ihrer letzten Lebensphase.“

So umfasst der Hospizdienst einerseits Sitzwachen beim akuten Sterbeprozess, zu dem die Ehrenamtlichen auch sehr kurzfristig gerufen werden. Andererseits hat Chris Charlesworth in ihrer nunmehr einjährigen Arbeit bereits vier Menschen vor ihrem Tod längere Zeit begleitet und kennengelernt – und dabei Überraschendes festgestellt. „Viele haben zwar Familienangehörige, wollen diese aber oft nicht belasten und sind froh, wenn sie mit uns als zunächst neutrale Personen sprechen können“, sagt Charlesworth. Auch sei das Gesprächsthema oft gar nicht der Tod, zumal wenn dieser von den Sterbenden bereits akzeptiert wurde. Deshalb, so Charlesworth, gebe ihr die Arbeit ungeheuer viel. „In der Begegnung mit dem Sterben, das immer noch ein Tabu ist, lernt man sehr viel über das Leben. Nämlich dass der Tod ein normaler Teil des Lebens ist. Und man lernt, die kleinen Dinge des Lebens wieder wertzuschätzen.“

„Sind Sie dabei?“

Derzeit betreut Chris Charlesworth eine alte Dame, die sie mit der Frage begrüßte: „Ich habe nicht mehr viel Zeit und möchte jeden Tag intensiv erleben. Sind Sie dabei?“ Das habe sie sehr gerührt, so Charlesworth. „Wenn es ihr aktueller Gesundheitszustand erlaubt, machen wir schöne Sachen zusammen, zum Beispiel ein Eis essen oder ein Ausflug mit der Tram an den Stadtrand. Und heute steht ein Shopping-Center-Besuch auf dem Programm, darauf freue ich mich schon richtig!“

Der diesjährige Vorbereitungskurs zur ehrenamtlichen Hospizarbeit bei der Volkssolidarität beginnt am 20. März und setzt sich aus vier Kurswochen zusammen, die im Juli enden. Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.volkssolidaritaet-berlin.de/einrichtungen/ambulanter-hospizdienst und unter Tel. 29 33 57 28.

Autor:

Michael Vogt aus Prenzlauer Berg

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