“Weil es die Sinne gefangen hält”
Der Verein „Sichtwechsel e.V.“ setzt sich für mehr Jugendschutz in audiovisuellen Medien ein
„Dummes Zeug kann man viel reden, kann es auch schreiben, wird weder Leib noch Seele töten, es wird alles beim alten bleiben. Dummes aber, vors Auge gestellt, hat ein magisches Recht; Weil es die Sinne gefesselt hält, bleibt der Geist ein Knecht.“ Diese Zeilen schrieb Johann Wolfgang von Goethe 1827 in der Sammlung „Zahme Xenien“ – lange bevor die Bilder laufen lernten. Sie sind zu einem Leitgedanken des Vereins „Sichtwechsel e.V. für gewaltfreie Medien“ geworden. Er hinterfragt kritisch die Wirkung der audiovisuellen Medien unserer Zeit.
Der gemeinnützige bundesweit agierende Verein wurde 1995 ins Leben gerufen. Eines seiner Gründungsmitglieder ist die Filmregisseurin Leonija Wuss. Sie erinnert sich: „Seit Anfang der 90er-Jahre haben mediale Gewaltdarstellungen stark zugenommen, obwohl Umfragen damals zeigten, dass die Bevölkerung diesen Trend eher ablehnt. Die Quotenmessung, an der das Angebot damals wie heute ausgerichtet ist, basiert dabei zudem auf einem sehr fragwürdigen Verfahren.“ Die ersten Reaktionen auf die engagierten Ziele waren durchweg positiv „Noch vor der Vereinsgründung haben wir alle Bundestagsfraktionen angeschrieben und Antworten erhalten, die unser Anliegen begrüßen, unter anderem von der damaligen Umweltministerin Angela Merkel“, sagt Leonija Wuss. „Das hat Mut gemacht, ebenso wie die Kooperation mit dem Verein VV Medien im Süden Deutschlands, der förderndes Mitglied bei uns wurde.“
Um ihr Hauptanliegen, die Aufklärung über die besondere Wirkung der audiovisuellen Medien, zu vermitteln, gehen die Mitglieder von „Sichtwechsel“ auch in Schulen und haben bereits viele große Tagungen organisiert. Eine wachsende Herausforderung, für die dringend neue Mitglieder gesucht werden. Zumal der mit 1000 Mitgliedern starke Unterstützerverein VV Medien sich vor fünf Jahren aufgelöst hat. Denn, so Leonija Wuss, das Angebot an Bildschirmmedien sei heute deutlich oberflächlicher und brutaler geworden – eine gefährliche Tendenz, der man mit mehr Informationsarbeit begegnen müsse. So sind in diesem Jahr zwei Konferenzen geplant, die sich mit den Themen Nachhaltigkeit und audiovisuelle Medien sowie Gewaltmedien und Verbrechen gegen das Kind beschäftigen.
Leonija Wuss und ihre Mitstreiter arbeiten hartnäckig daran, diese Themen in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen. Dabei ist es ihnen wichtig klarzustellen, dass es ihnen nicht um einen simplen Ursache-Wirkung-Zusammenhang geht: „Uns ist bewusst, dass die Rezeption von Gewalt nicht automatisch dazu führt, dass Menschen selbst sofort gewalttätig werden. Aber die Mitleidsfähigkeit besonders der jungen Zuschauer wird durch den Konsum von Gewaltmedien herabgesetzt. Gegen diese Abstumpfung wollen wir etwas tun.“
Die konkreten Forderungen des Vereins richten sich vornehmlich an die Filmschaffenden, den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Landesmedienanstalten. Produzenten müssten Jugendschutz viel mehr im Blick haben, Regisseure sich ihrer Verantwortung für den fertigen Film zum Beispiel im Sinne einer Produkthaftung bewusst werden, während gleichzeitig die vermeintlich objektive Ermittlung angebotsbestimmender Quoten dringend kritisch hinterfragt werden sollte.
Weitere Infos zum Verein „Sichtwechsel e. V. für gewaltfreie Medien“ gibt es im Internet auf www.sichtwechsel.de.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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