Essen im Kiez
Die Kiezkantine an der Oderberger Straße blickt auf eine 25-jährige Geschichte zurück
Die Kiezkantine ist eine der ungewöhnlichsten Orte auf der Oderberger Straße. Das liegt vor allem an den Beschäftigten. Denn es sind Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen, die dort unter Anleitung von Fachleuten in der Küche, im Service und in der Hauswirtschaft arbeiten. Die meisten der Gäste wissen das. Sie kommen ganz bewusst in die Kiezkantine in der Oderberger Straße 50. Denn sie wollen dort nicht nur preiswert essen, sondern möchten das Projekt unterstützen.
Träger ist seit nunmehr 15 Jahren die gemeinnützige Pinel GmbH. Sie ist Teil des Pinel-Verbundes. Dieser eröffnete vor 40 Jahren die ersten betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit psychischen Erkrankungen im Westteil der Stadt. Und heute bietet der Verbund diesen Menschen unter anderem auch Beschäftigungsmöglichkeiten an.
Dass Pinel vor 15 Jahren die Kiezkantine übernahm, hat eine längere Vorgeschichte. Das Haus in der Oderberger Straße 50 war Anfang der 90er-Jahre von der Mietergenossenschaft Selbstbau eG saniert worden. Für die Gewerberäume im Erdgeschoss wurde eine Nutzung gesucht, die in den Kiez passt und zugleich Menschen aus dem Kiez unterstützt. Im Verein „So Oder So“ wurde daraufhin die Idee geboren, die Räume als Sozialkantine zu nutzen. Für wenig Geld sollte dort jeder ein Mittag bekommen. Vor 25 Jahren ging die Sozialkantine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) und Nachbarschaftszentrum an den Start. Von Anfang an dabei ist Projektleiterin Kristina Schneider.
„Die ABM waren immer nur für ein Jahr genehmigt. Wir mussten sie jedes Jahr neu beantragen und immer hoffen, dass es weitergeht“, erinnert sie sich. Nach zehn Jahren war dann aber Schluss mit ABM. „Der Verein ‚So Oder So‘, den es heute nicht mehr gibt, stand vor der Entscheidung: Schließen wir die Sozialkantine oder finden wir eine andere Lösung?“ Mit der gemeinnützigen Pinel GmbH konnte vor 15 Jahren ein neuer Träger gefunden werden. Ein Teil der damaligen ABM-Mitarbeiter wurde übernommen, und Menschen mit psychischer Erkrankung stiegen nach und nach in das Projekt ein, das fortan Kiezkantine hieß.
„Unsere Beschäftigten mit chronischen psychischen Erkrankungen kommen aus Wohnprojekten der Pinel“, sagt Kristina Schneider. „Sie arbeiten je nach ihren individuellen Möglichkeiten stundenweise in der Kiezkantine. Und angeleitet werden sie dabei von unseren Festangestellten.“ Von diesen gibt es insgesamt zehn, die etwa 30 Klienten in der Kiezkantine betreuen. Ziel ist es, dass die dort Tätigen unter anderem ihre Persönlichkeit entwickeln können, eine Tagesstruktur haben, unter Leute kommen, Teamfähigkeit erlernen und sich so über Jahre hinweg an eine mögliche Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt herantasten.
Die Gäste in der Kiezkantine bekommen davon jedoch kaum etwas mit. Ihnen schmeckt es einfach, und so ist es nicht verwunderlich, dass viele von ihnen Stammkunden sind. Aber auch Touristen kehren dort gern ein. Obwohl das sozial-gastronomische Projekt inzwischen auf 25 Jahre zurückschauen kann, seine Zukunft steht trotzdem nicht auf einem festen Fundament. In den vergangenen 15 Jahren bekam die Pinel keine öffentliche Finanzierung. Stabil weitermachen kann die Kiezkantine wohl erst, wenn sich die Kommune zu ihr bekennt und das Projekt in eine Regelfinanzierung aufnimmt. Dass das dringend nötig sei, meint auch Pankows Bürgermeister Sören Benn (Die Linke), der zum Jubiläum in der Kiezkantine vorbeikam. Nun sollen zu diesem Thema Gespräche mit der zuständigen Senatsverwaltung geführt werden.
Geöffnet ist die Kiezkantine montags bis freitags von 12 bis 16 Uhr. Weitere Informationen gibt es unter Tel. 448 44 84 sowie über den E-Mail-Kontakt kiezkantine@pinel.de.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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