Drei Freunde, die Corona-Krise und eine Idee
Die Plattform Helping Hands bringt Helfer und Hilfesuchende zusammen
In der Corona-Krise gibt es neben vielen Hiobsbotschaften immer wieder auch Geschichten, die Mut machen. Eine davon ist die rasante Entwicklung der Plattform Helping Hands in weniger als einer Woche.
„Alles begann damit, dass mir ein Bekannter von einer Gruppe erzählte, die sich über den Messaging-Dienst Telegram gegründet hatte“, erinnert sich Paul Nietzschmann. „Sie heißt ,Wedding solidarisch‘ und hat sich gegenseitige Hilfe, Austausch und Vernetzung in Zeiten der Krise zum Ziel gesetzt.“ Das war am 13. März.
Erstaunt habe ihn die enorme Resonanz, so Nietzschmann, der in Prenzlauer Berg wohnt. Innerhalb von zwölf Stunden hätten sich bereits 400 Leute angemeldet, etwas später ging die Zahl in die Tausende. Dem Absolventen der WHU Otto Beisheim School of Management in Koblenz, Startup-Gründer und Freelancer war klar, dass die Idee zwar gut ist, die Umsetzung so aber kaum funktionieren würde: „Es war ein relativ ineffizientes Konglomerat an Ideen und Initiativen, und so kam mir die Idee, eine professionell strukturierte Plattform ins Leben zu rufen.“
Allerdings verfügt der 27-jährige Business-Experte nicht über das technische Grundwissen. Da erinnerte er sich an seine Freunde aus gemeinsamen WHU-Studientagen. Zwei Tage waren inzwischen vergangen, als er Kontakt zu ihnen aufnahm. „Mein Freund Jan Runo, Mitbegründer der Umzugsplattform Movinga und derzeit mit Arbeiten zum Master in Brasilien beschäftigt, war sofort Feuer und Flamme“, erzählt Paul Nietzschmann. „Und mit dem dritten im Bunde, Arne Wolfewicz, verantwortlich für Prozessoptimierung beim Logistikunternehmen Kühne und Nagel, hatten wir jemanden im Boot, der unsere Ideen praktisch umsetzen konnte.“
In weiteren nur vier Tagen wurde die Plattform der drei programmiert und gelauncht. Am 19. März ging helping-hands.io online. Die Vermittlungsbörse bringt mit einem Matching-Prinzip Hilfeanfragen und freiwillige Helfer zusammen, natürlich unter Berücksichtigung des Datenschutzaspekts. Denn erst, wenn Hilfe angenommen wird, werden Telefonnummern gegenseitig sichtbar und der Kontakt möglich. Von Beginn an am meisten nachgefragt wurden Dienste wie die Erledigung von Einkäufen, der Gang zur Apotheke, den Hund ausführen sowie allgemeine Hol- und Bringedienste.
Die Plattform ist für die Nutzer gratis, die Kosten halten sich in Grenzen: „Es gibt viele potentielle Sponsoren, die uns unterstützen wollen“, sagt Paul Nietzschmann. „Problematisch ist eher der wachsende zeitliche Aufwand. Wir haben viel damit zu tun, Funktionen zu optimieren und bürokratische Hürden, wie zum Beispiel Datenschutzregularien, zu berücksichtigen. Somit ist also Manpower gefragt.“
Wieder spielte die Zeit der Plattform in die Hände. Nur zwei Tage nach der Veröffentlichung ihrer Internetseite fand eine von der Bundesregierung initiierte Veranstaltung statt, in der sich 47 000 Entwickler, Programmierer, Grafiker, Designer und Kreative über digitale Lösungsmöglichkeiten in der Krise austauschten. Paul Nietzschmann: „Wir haben darüber den Kontakt zu weltweit 30 Leuten gefunden, die an unserem Projekt mitarbeiten. Zudem hat die Vernetzung mit vielen anderen Plattformen dazu geführt, dass die regionalen Nutzerzahlen von anfänglich 2000 auf momentan weltweit 50 000 angewachsen sind.
Ein Problem bleibt allerdings: Die Zahl der Helfer übersteigt die der Hilfesuchenden um ein Vielfaches. Deshalb liegt die nächste Herausforderung darin, die Plattform bei der älteren, vielleicht nicht so internetaffinen Generation bekannt zu machen.
Für Paul Nietzschmann hat das Projekt schon sehr viele positive Erkenntnisse gebracht: „Es ist faszinierend zu sehen, wie in Zeiten einer extremen Krise Menschen zusammenkommen und gemeinsam Lösungsansätze entwickeln. Und zwar nach dem Open-Source-Prinzip: Gewinnorientierung spielt keine Rolle, niemand produziert für sich selbst, Informationen und Fähigkeiten werden geteilt – das ist eine tolle Erfahrung!“
Kontakt zu Helping Hands im Internet auf https://helping-hands.io.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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