„Das Wichtigste ist Zuhören“
Ehrenamtliche des Weissen Rings beraten Opfer von Kriminalität und stehen ihnen zur Seite
Gisela Raimund hat sich ihr Lächeln bewahrt. Das kann man in ihrem Fall als Zeichen von Zuversicht, aber auch von Erfahrung und Professionalität deuten. Denn die Lehrerin im Ruhestand ist seit zwölf Jahren im Weissen Ring als Opferbetreuerin aktiv und derzeit auch Pressesprecherin des Landesverbands Berlin.
„Mir ging es darum, nach meinem Berufsleben weiter mit Menschen in Kontakt zu kommen“, erklärt Gisela Raimund ihren Entschluss, beim Weissen Ring anzufangen. Seitdem hat die Rentnerin zahlreiche teils schlimme Fälle erlebt und unzählige Beratungen durchgeführt. Dass die persönliche Bilanz ihrer Arbeit trotz der sehr schwierigen Aufgabe deutlich positiv ausfällt, hat für sie eine klare Ursache: „Es ist sehr wichtig, dass man immer mit einem positiven Gefühl aus einem Beratungsgespräch herauskommt.“ Allerdings sei neben einer positiven Einstellung genauso auch eine professionelle Distanz besonders wichtig. „Mit denen, die zu uns kommen und Schlimmes erlebt haben, sitzen wir zwar auf der Couch und reden, aber wir weinen nicht mit ihnen!“
Eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Arbeit beim Weissen Rings sei es, so Gisela Raimund, zuhören zu können: „Wir sind für die Menschen nach ihren oft traumatischen Erfahrungen eine erste Anlaufstelle. Das bedeutet, dass wir sie ernst nehmen und Vertrauen aufbauen müssen.“
Neben persönlichem Beistand helfen die Mitglieder des Weissen Rings beim Gang zur Polizei oder zu Gerichtsverfahren, vermitteln bei Bedarf professionellen juristischen oder psychologischen Beistand und informieren über die Möglichkeiten finanzieller Unterstützung in Notlagen. Momentan gibt es bundesweit etwa 3000 hauptsächlich ehrenamtliche Mitarbeiter, in Berlin sind es rund 135 in 13 Außenstellen.
Am Anfang erhielt auch Gisela Raimund eine Ausbildung: „Es beginnt mit einer dreimaligen Hospitation und einem Grundseminar. Daran schließen sich Weiterbildungsseminare an“. Diese Schulungen sowie eine langjährige Erfahrung haben Gisela Raimund zu einer professionellen Opferhelferin in der Außenstelle Tempelhof-Schöneberg werden lassen. Dabei schätzt sie die zeitliche Flexibilität ihres Ehrenamts: „Wir bestimmen alle unseren Arbeitsaufwand weitgehend selbst.“
"Opfer haben keine Lobby"
Die Straftaten, mit denen die Hilfesuchenden konfrontiert wurden, seien breit gefächert, erklärt Gisela Raimund. „Es gibt immer wieder Fälle von häuslicher Gewalt, von Stalking, aber auch von sehr schweren Straftaten. So wurden zum Beispiel viele Opfer des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche vom Weissen Ring Berlin und auch von Gisela Raimund betreut. Die Tat habe, so Gisela Raimund, etwas verändert: „Opfer haben keine Lobby und werden oft allein gelassen. Das ist es, was wir der Politik immer wieder vorhalten müssen. Der Anschlag hat dazu geführt, dass das Schicksal der Opfer verstärkt wahrgenommen wird.“
Entsprechend viele Menschen aus allen möglichen Berufen, besonders ältere und Studenten, engagierten sich heute für den Weissen Ring. Allerdings sei die Unterstützung je nach Bezirk höchst unterschiedlich, erklärt Gisela Raimund: „Manche Berliner Außenstellen sind chronisch unterbesetzt, dies gilt besonders für Spandau.“
Weisser Ring e.V., Landesbüro Berlin, Bartningallee 24, Telefon 833 70 60, im Internet auf https://berlin.weisser-ring.de. Bundesweite Telefonhotline für Opfer: 11 60 06.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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