"Wir brauchen Begegnung"
Susanne Buss ist seit fast einem Jahr Vorsitzende der Volkssolidarität

Susanne Buss (40) hat den Schritt von der freien in die Sozialwirtschaft vollzogen. Seit Dezember 2021 ist sie Vorsitzende der Berliner Volkssolidarität. | Foto:  Volkssolidarität Berlin
  • Susanne Buss (40) hat den Schritt von der freien in die Sozialwirtschaft vollzogen. Seit Dezember 2021 ist sie Vorsitzende der Berliner Volkssolidarität.
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Die Volkssolidarität ist der größte Sozial- und Wohlfahrtsverband im Osten Deutschlands. Seit Ende 2021 ist Susanne Buss Vorsitzende der Volkssolidarität Berlin. Sie übernahm das Amt in einer herausfordernden Zeit. Berliner-Woche-Reporter Michael Vogt sprach mit ihr über ihre Motivation und ihre Ziele.

Wie sind Sie zum Ehrenamt und zur Volkssolidarität gekommen, was ist Ihre persönliche Motivation?

Susanne Buss: Die Volkssolidarität kenne ich von klein auf. Ich komme aus Sachsen, da ist die Volkssolidarität ein Teil des Lebens auf dem Land. Ehrenamtlich war ich bis dahin nur sehr marginal tätig, so bei Veranstaltungen im Rahmen der Kitabetreuung meines Sohnes. Nach meinem Jura- und Wirtschaftsstudium habe ich direkt in der Wohlfahrtspflege gearbeitet. Erst nach Jahren habe ich über den sprichwörtlichen Tellerrand geschaut und bin in die freie Wirtschaft gegangen. Dort habe ich schnell gemerkt, dass irgendetwas fehlt. Der Sinn der Arbeit war schlicht nicht derselbe. Ich habe mich gefragt: Wer profitiert von meinem Einsatz? Wo ist der Mehrwert und der soziale Gedanke dabei? Deshalb habe ich mich ganz bewusst für die Sozialwirtschaft und später für die Volkssolidarität entschieden.

Die Volkssolidarität ist in vielen Bereichen des öffentlichen und sozialen Lebens aktiv. Wo sehen Sie aktuell die wichtigsten Ziele und thematischen Schwerpunkte der Volkssolidarität?

Susanne Buss: Wir stehen wie 2015 vor immensen Herausforderungen in der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten. Stadt, Bezirke und Sozialträger – alle müssen hier an einem Strang ziehen. Das Thema wird uns nicht zuletzt durch den Klimawandel noch lange begleiten, der sich neben Krieg und Verfolgung zum zusätzlichen Fluchttreiber entwickelt. Daneben sehen wir uns Veränderungen durch den demografischen Wandel gegenüber. Ältere Fachkräfte gehen in Rente, es bedarf weiterer Betreuungs- und Pflegeplätze. Wir müssen uns also als attraktiver Arbeitgeber und Mitgliederverband positionieren, in dem alle willkommen sind – Stichwort „Vielfalt“.

Verknüpfen Sie die Bewältigung dieser Herausforderungen auch mit konkreten Wünschen an Gesellschaft und Politik?

Susanne Buss: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass wir mit dem aktuellen Senat und mit den Bezirken gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. So gelingen etwa im Projekt „Netzwerk der Wärme“ oder der Hilfe für Ukraine-Geflüchtete gute Ergebnisse. An anderen Stellen würden wir uns hingegen mehr Rückmeldung aus der Politik wünschen. Das Thema Refinanzierung von einzelnen Projekten und Stellenanteilen ist immer sehr zäh und nervenaufreibend. Ich wünschte mir auch, dass nicht jeder Träger eigene Konzepte erstellen müsste, zum Beispiel in der Frage der Besuchskonzepte für Einrichtungen in der Pandemie oder was im Fall eines flächendeckenden Stromausfalls zu tun ist. Ein schlüssiges Gesamtkonzept durch die Politik wäre hier zielführender.

Wie kann Ihrer Meinung nach Solidarität in einer Gesellschaft funktionieren, die immer weiter auseinanderdriftet, und wie kann die Volkssolidarität diesen Fliehkräften entgegenwirken?

Susanne Buss: Wir brauchen Begegnung und die Entwicklung einer gemeinsamen Vision. Eine große Spezialität der Volkssolidarität ist es, dass wir die Menschen mit unserem Angebot sprichwörtlich von der Wiege bis zur Bahre begleiten. Bei uns begegnen sich bereits die unterschiedlichsten Lebensläufe, Alters- und Interessengruppen. Es ist wichtig, diese Interessen nicht gegeneinander abzuwägen, sondern gemeinsam Lösungen zu entwickeln, von denen alle profitieren. Wir geben der Gesellschaft somit ein positives Beispiel, wie Zusammenleben trotz großer individueller Unterschiede gelingen kann.

Viele der über 14.000 Mitglieder der Berliner Volkssolidarität sind im Seniorenalter. Somit steht demnächst ein Generationswechsel an. Welche Ideen haben Sie, um neue Mitglieder und verstärkt auch junge Menschen für ehrenamtliches Engagement bei der Volkssolidarität zu gewinnen?

Susanne Buss: Erstens setzen wir auf Ausbildung. Durch eigens entwickelte Formate wollen wir Fortbildungen ermöglichen, die Ehrenamtliche auch beruflich weiter voranbringen. Zweitens bearbeiten wir mit Diversität und Nachhaltigkeit zwei Themen, die gerade für junge Leute relevant sind. Wir werben offensiv dafür, sich in diesen Arbeitsgruppen einzubringen. Und schließlich sollte auch die Politik Angebote machen, um Stellenwert und Attraktivität ehrenamtlichen Engagements in der Gesellschaft zu erhöhen – zum Beispiel durch eine konkrete Anrechnung auf die Rente oder die Verkürzung von Wartezeiten für Studiengänge mit Numerus clausus.

Weitere Informationen zur Volkssolidarität Berlin gibt es im Internet unter www.volkssolidaritaet-berlin.de.

Autor:

Michael Vogt aus Prenzlauer Berg

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