100 Jahre Groß-Berlin
Vor 100 Jahren galt Prenzlauer Berg noch als das „Armenhaus“ Berlins

So sah das städtische Obdachlosenasyl an der Fröbelstraße um 1920 aus. | Foto: Archiv BW
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  • So sah das städtische Obdachlosenasyl an der Fröbelstraße um 1920 aus.
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Prenzlauer Berg ist hipp. In vielen Altbauten leben Menschen heute in modernisierten Eigentumswohnungen. Und das Durchschnittseinkommen liegt inzwischen über Berliner Durchschnitt.

Das war 1920, als Prenzlauer Berg ein Stadtbezirk Groß-Berlins wurde, noch ganz anders. Der Bezirk galt als „Armenhaus“ der Stadt. Auf den früheren Feldern vor den Stadttoren Berlins begann Mitte des 19. Jahrhunderts eine rege Bautätigkeit. Die einstigen Grundbesitzer verkauften ihr Land an Bauunternehmen. Und so begann innerhalb des heutigen S-Bahnrings eine rege Bautätigkeit. Um möglichst profitabel bauen zu können, entstanden an den Straßen Gebäudeeinheiten mit zwei, drei Hinterhöfen. Im Vorderhaus wohnte man gutbürgerlich. In den meist engen Hinterhöfen fanden in Seitenflügeln und Quergebäuden Arbeiter und Handwerker Wohnraum. Je enger gebaut wurde, umso weniger Sonne hatten die Wohnungen in den unteren Geschossen.

Wie Anfang des 20. Jahrhunderts in Prenzlauer Berg gewohnt wurde, zeigt die Museumsausstellung „Zimmermeister Brunzel baut ein Mietshaus“ in der Dunckerstraße 77. In der Küche der 56 Quadratmeter großen Wohnung spielte sich Anfang des vergangenen Jahrhunderts fast das ganze Leben ab. Die gute Stube wurde hingegen benutzt, wenn Besuch kam. Im engen Schlafzimmer nächtigte die ganze Familie. In der Regel schliefen mehrere Kinder in einem Bett. In diesen Zwei-Zimmer-Wohnungen lebten früher bis zu 17 Menschen.

Auch wenn die Wohnverhältnisse Anfang des vorigen Jahrhunderts alles andere als ideal waren, mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam die Bautätigkeit zum Erliegen. Die Wohnungsnot verschlimmerte sich nach Ende des Krieges rapide. Viele Kriegsheimkehrer zog es in die Großstädte. Und weil sie keine Wohnungen fanden, suchten sie nachts Unterkunft im Obdachlosenasyl „Die Palme“ an der heutigen Fröbelstraße. Andere waren so versehrt, dass sie im Siechenhaus an der Prenzlauer Allee untergebracht wurden.

Das Gelände an der heutigen Prenzlauer Allee lag noch vor den Toren der Stadt, als diese ihren Baurat Herrmann Blankenstein beauftragte, an der Ecke Fröbelstraße in den Jahren 1886 bis 1889 eine Hospital- und Siechenanstalt einzurichten. Bis zu 1300 Patienten wurden dort betreut. Nachdem 1934 das Hospital geschlossen und seine Bewohner nach Buch verlegt worden waren, zog das Bezirksamt in den Gebäudekomplex.

Gleich neben der Hospital- und Siechenanstalt entstand ein Obdachlosenasyl. Gebaut wurde es 1886/1887, ebenfalls nach Plänen von Blankenstein. Es war, im Vergleich zu anderen Einrichtungen dieser Art ein sehr modernes und hygienisch fortschrittliches Haus. Ausgelegt war es für 4600 Bedürftige. Um 1920 war der Andrang aber so groß, dass oft über 5000 Menschen dort nächtigten.

Der Volksmund gab dem Asyl den Namen „Die Palme“, weil gleich neben der Eingangstür eine Palme gestanden haben soll. 1940 wurde das Gebäude zum Krankenhaus umfunktioniert. Die letzten Krankenhausabteilungen sind inzwischen allerdings nach Friedrichshain verlegt worden. Geplant ist, dass die Gebäude künftig unter anderem von der Bezirksverwaltung genutzt werden.

Ab 1923 änderte sich das Image Prenzlauer Bergs als „Armenhaus“ Berlins zusehends. Seinerzeit startete die Weimarer Republik ein Wohnungsbauprogramm. Es entstanden Siedlungen mit neuem Anspruch. Licht und Luft sollte es künftig in allen Wohnungen geben. Bekanntestes Beispiel dafür ist die von Bruno Taut und Franz Hillinger entworfene Wohnstadt Carl Legien an der Erich-Weinert-Straße. Sie wurde zwischen 1928 und 1930 gebaut und ist heute Weltkulturerbe.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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