"Grüne Gartenlunge zum Durchatmen"
Bornholmer Kleingärtner bekommen Pilotprojekt finanziert

Vereinschef Robert Ide hat in den Bornholmer Gärten seit acht Jahren eine grüne Parzelle.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Wegeleitsystem und Schautafeln: Die Kleingärtner der Anlage Bornholm 1 an der Bösebrücke bekommen für ihr Pilotprojekt Fördermittel von der Senatsumweltverwaltung. Bis zum Frühjahr soll alles fertig sein.

Frische Luft, öffentliches Grün, für alle zugänglich und eine Artenvielfalt, die in Parks kaum zu finden ist. Das ist es, was die Kleingartenanlage Bornholm 1 am Fuße der historischen Bösebrücke ausmacht. Dort gärtnern, ernten, entspannen und feiern keine spießigen Laubenpieper, sondern „Milieunäre“. Und die heißen in ihrem Stadtgrün jeden Willkommen. Mit Gastfreundschaft und offenen Toren.

Doch das allein soll es nicht gewesen sein. Die agilen Bornholmgärtner wollen sich der Nachbarschaft noch mehr öffnen: mit ausgeschilderten Wegen, Orientierungsplänen und Schautafeln über die Natur, das Klima und die Geschichte ihrer Anlage. „Denn unsere Bornholmer Gärten wollen für den Kiez und die Stadt da sein“, sagt Robert Ide. Der 45-Jährige ist der Vereinschef der Kleingartenanlage Bornholm 1. Seit einem Jahr macht er den Job im Ehrenamt. Im November, so erzählt Ide, hat sein Verein den Zuschlag zum Aufbau des Wegeleitsystems bekommen. Es ist eines von stadtweit drei Pilotprojekten für die „Mehrfachnutzung von Berliner Kleingartenanlagen“, die die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit insgesamt 25 000 Euro fördert. Denn die „Charta für das Berliner Stadtgrün“ sieht vor, Gartenkolonien als Parks stärker zu öffnen. Was Roberte Ide begrüßt. „Gerade in der Corona-Pandemie haben wir noch mehr Spaziergänger hier, aus Prenzlauer Berg, Pankow und dem Wedding.“ Außerdem liege die Kleingartenanlage im familienreichsten Kiez Berlins, mit mehr als 10 000 Bewohnern in der Nachbarschaft. „Und denen bieten wir ein grüne Gartenlunge zum Durchatmen.“

Seit die Finanzierung sicher ist, sind die Kleingärtner auch schon fleißig dran an ihrem Vorzeigeprojekt. Holzpfosten für die Wegeschilder wurden gekauft und eine Arbeitsgruppe gegründet. Den Anfang machen fünf große Informationstafel, die die Kleingärtner noch in diesem Winter aufstellen wollen. Die Themen: Historie der Bornholmer Gärten von 1896 bis heute, bewegte Geschichte der Gärten direkt an der Berliner Mauer, Luft und Klima im Kiez, Naherholung in der Anlage, Flora und Fauna in den Gärten. Welche Tiere leben hier? Was für Heilkräuter, Blumen und alte Apfelsorten blühen in der Anlage? „All das recherchieren wir gerade“, sagt Robert Ide. Ein Grafiker im Team kümmert sich um die bildliche Umsetzung der Schautafeln. Bei den Recherchen zur DDR-Grenze und zu den Maueropfern an der Bösebrücke an der Bornholmer Straße, auf der am 9. November 1989 die Mauer zwischen Ost und West fiel, werden die Kleingärtner auch von der Gedenkstätte Berliner Mauer unterstützt. Zum Beispiel mit historischen Luftbildern der Grenzanlagen.

Erste Gärten entstehen ab 1896

Die Geschichte der Kleingartenanlage Bornholm 1 reicht aber noch viel weiter zurück. Bis ins Kaiserreich. Einst eine alte Abladehalle am Rande Berlins entstehen dort ab 1896 die ersten Gärten. Vier Familien bauen Parzellen auf und gründen eine Kolonie. Mit der Zeit ziehen immer mehr Arbeiter und ärmere Berliner nach, brettern kleine Lauben zusammen, bauen Kartoffeln und Gemüse an, manche halten Ziegen und Hühner. Ein erster Pfad heißt damals Finkengrund. Nach und nach wächst eine Laubenkolonie hoch bis zur Schönhauser Allee. „Hungriger Wolf“ haben die Kolonisten sie getauft. Während des NS-Terrors bieten die Gartenlauben Orte für Täter, aber auch Verstecke für Widerstandskämpfer. Kommunisten sollen dort eine „Rote Zelle“ gegründet haben. Im Zweiten Weltkrieg stellen die Nazis in den Gärten eine Flakstation auf, um alliierte Flugzeuge abzuschießen. Die Anlage steht deshalb stark unter Beschuss. Allein am 8. Mai 1944 fallen 33 Bomben auf die Lauben.

Nach Kriegsende erhalten die Gärten den Namen Bornholm. Der Brunnen der Anlage versorgt den ausgebombten Kiez mit Trinkwasser. Zu DDR-Zeiten liegen die Parzellen direkt an der Grenze zu West-Berlin. Der Verein ist angehalten, Obst und Gemüse für die Volkswirtschaft der DDR bereit zu stellen. Die Gartenanlage Bornholm 3 wird abgerissen und mit Botschaften sozialistischer Länder bebaut. Das Gartenleben geht auch mitten im Grenzgebiet weiter, wenn auch unter steter Kontrolle. Mit dem Mauerbau liegt Bornholm 1 dann direkt am Grenzübergang Bornholmer Straße, die mit mehreren Mauern gesichert ist. In der Gartenanlage werden Telefonmasten für Grenzposten aufgestellt. Die Überreste sieht man heute noch. Bei Fluchtversuchen am Bahnhof Bornholmer Straße sterben insgesamt vier Menschen. Anderen gelingt die Flucht direkt aus der Kleingartenkolonie.

Einladung an alle

Heute bewirtschaften und pflegen etwa 450 Gärtnerinnen und Gärtner 236 Parzellen. Das Vereinsleben ist rege. Es gibt Nachbarschaftsgärten und einen Therapiegarten, Kooperationen mit Kitas und Schulen und ein ganzjährig geöffnetes Vereinsheim. Nachbarn sind regelmäßig zu Frühlingskonzerten, Kinderfesten, Erntedankfesten mit politischen Frühschoppen, offenen Gärten und Feiern zum Mauerfall eingeladen. Außerdem organisieren die Kleingärtner Workshops, Ausstellungen und Führungen. Trotz Pandemie hat sich die Kleingartenanlage Bornholm 1 immer weiter für Stadt und Kiez geöffnet. Alle Eingangstore stehen dauerhaft offen. Als Symbol der Berliner Geschichte wurde in der Kolonie eine vor dem Abriss gerettete Litfaßsäule aufgestellt. Jugendliche aus dem Jugendzentrum „Linse“ in Lichtenberg haben sie im Herbst gartenbunt angesprayt. Bunte Plakate der Öffentlichkeitskampagne „Dawächstwas“ werben an Zäunen für den Erhalt der Kleingärten in ganz Berlin. Es ist eine Einladung an alle.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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