Stadtspaziergang
Am 15. Juni geht’s in den östlichsten Ortsteil Berlins nach Rahnsdorf

Rahnsdorfs alte Dorfulme zählt schon über 500 Jahresringe, die „Schinkellaterne“ aus der Nikolaiviertel-Serie ist gerade einmal um die 40 Jahre alt. | Foto: Bernd S. Meyer
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  • Rahnsdorfs alte Dorfulme zählt schon über 500 Jahresringe, die „Schinkellaterne“ aus der Nikolaiviertel-Serie ist gerade einmal um die 40 Jahre alt.
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An manchen Ecken macht das uralte Fischerdorf fast einen verwunschenen Eindruck!Zu meiner 222. monatlichen Tour lade ich Sie nach Rahnsdorf ein. In das alte Fischerdorf. S-Bahnhof Rahnsdorf liegt weitab vom Wasser im Berliner Stadtforst. Auch der Bus fährt erst durch den Wald – auf der nach Bildhauerin Ingeborg Hunziger (1915-2009) benannten Straße. Es folgen Halts in schmucken Einfamilienhausgebieten, die ahnen lassen, wie Berlins östlichster Ortsteil Rahnsdorf mit allen seinen Siedlungen – die östlichste ist Hessenwinkel am Dämeritzsee – auf fast 11.000 Einwohner kommt.

Weitläufig, wie auch der längere Spaziergang von der Bushaltestelle bis zum alten Dorfkern. Der ist bis heute klein, sehr idyllisch, bewahrte den Charakter eines abgelegenen Wohnplatzes, der übers Wasser leicht zu erreichen ist. Dort lebte man über 1000 Jahre lang fast nur von dem, was mit Netz, Reuse und Angel gefangen wurde, – und von den kleinen Hauswirtschaften. Jahrhundertelang gab es keine Ackerhufen.

Rahnsdorfs dritter Kirchbau, eingeweiht 1888, steht wie seine Vorgänger auf der höchsten Stelle der alten Sanddüne in der Müggelniederung. | Foto: Bernd S. Meyer
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Die seit dem 7. Jahrhundert siedelnden slawischen Spreewanen bauten ihre hölzernen Katen auf sicherem Baugrund sieben Meter über Spree- wie Seespiegel. So hoch ist die feste, einst von Sumpf umgebene Sanddüne auch heute noch. Es heißt, dass die „wendischen“ Fischer mit der deutschen Kolonisation des 12. und 13. Jahrhunderts der Burg Köpenick zinspflichtig wurden, dorthin vor allem Fisch zu liefern hatten, wie später auch dem Amt. Dafür durften sie in den der Burg wie dem späteren Schloss gehörenden Gewässern die Fischereigerechtigkeit ausüben.

Bis heute hat sich die Sackgassenform des Dorfkerns erhalten. Da passten gerade mal 20 Höfe samt Dorfkrug drauf, erst nach der Reformation kamen Kirche, Kirchhof und Küsterhaus hinzu, das dann zur Schule wurde. Vom letzten slawischen Fürsten Jacza de Copnik, geboren vor 1125, verstorben im Februar 1176, der in dem Land vor der Oder, an Spree und Dahme, der „wendischen Spree“ herrschte, ist nicht nur die Schildhornsage zur Niederlage gegen Askanier Albrecht und Annahme des Christentums geblieben. Bei Ausgrabungen wurden Münzen, Brakteaten mit seinem Porträts aus verschiedenen Lebensaltern und der stets gleichen Latein-Umschrift JACZA DE COPNIC, erst ohne, später mit Kreuz, gefunden.

Mit zwölf Ruderschlägen schafft es Berlins offizielle Fährlinie Nr. 24 vom Anleger an der Rahnsdorfer Kruggasse zum anderen Müggelspree-Ufer an den Spreewiesen; nur das flußabfahrende Freizeit-Wassertretauto kommt ganz ohne Fahrplan aus. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Mit zwölf Ruderschlägen schafft es Berlins offizielle Fährlinie Nr. 24 vom Anleger an der Rahnsdorfer Kruggasse zum anderen Müggelspree-Ufer an den Spreewiesen; nur das flußabfahrende Freizeit-Wassertretauto kommt ganz ohne Fahrplan aus.
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Theodor Fontane, dem man fast alles glauben kann, was er schrieb, hat in den „Wanderungen“ darauf verwiesen, dass die beiden einzigen Dörfer der Müggel-Umgebung, nämlich Rahnsdorf und die Weber-Kolonie Friedrichshagen nicht am Müggelsee, sondern an der Spree liegen, ihre roten Ziegeldächer seinerzeit schon übers Wasser leuchteten. Aber mehr interessierte sich Fontane für die Geschichte eines Hallodris, der schon als Knabe sommers in der neuen Villenkolonie beim Dorf wie am See zugange war, später sein Glück beim Militär suchte, Fähnrich wurde, und im Krieg 1870 sich mit seinem Quartierwirt bei Metz einen leichtsinnigen Zivilausflug ins Französische erlaubte, wo beide vom Bier weg als Spione verhaftet, nach Kriegsgerichtsurteil erschossen wurden.

Im August 1872 war die gesamte Rahnsdorfer Dorflage mit barocker Kirche und dem Küsterhaus einem Brand zum Opfer gefallen. Den erwähnt Fontane in seiner ersten Buchausgabe des Bandes „Spreeland“, erschienen erst 1884, nicht mehr. Womöglich war es ihm trotz der schon am 15. Mai 1879 eröffneten Bahnstation Rahnsdorf in Richtung Erkner und Frankfurt zu beschwerlich, das abgebrannte und noch immer abgelegene Dorf zu besuchen. Dort hatte der Wiederaufbau längst begonnen. Noch zu seinen Lebzeiten gab es das alte Fischerdorf Rahnsdorf auf altem Grund neu, etwa 20 eingeschossige Wohnhäuser mit vier, fünf Achsen, das als Schule sechsachsig erneuerte einstige Küsterhaus, den Dorfkrug mit sieben Achsen.

Im Jahre 1929 ehrte Groß Berlin den Rahnsdorfer Fischermeister August Herrmann, der auf dem Müggelsee immer wieder Menschen vor dem Ertrinken rettet hatte, mit diesem Gedenkstein in der alten Dorfmitte. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Im Jahre 1929 ehrte Groß Berlin den Rahnsdorfer Fischermeister August Herrmann, der auf dem Müggelsee immer wieder Menschen vor dem Ertrinken rettet hatte, mit diesem Gedenkstein in der alten Dorfmitte.
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Das Dorfensemble aus dieser Zeit steht samt mancher Gründerzeitfassade komplett unter Denkmalsschutz. Die neue Dorfkirche ist 1888 eingeweiht worden. Friedrich Adler, damals Chef des preußischen Kirchenbaus, lieferte die Pläne. Wussten Sie, dass der Architekt schon 25 Jahre vorher die große St. Thomas-Kirche am Kreuzberger Mariannenplatz entworfen hatte? Sie gilt als Adlers Meisterstück. Etwa 300 kleinere und größere Kirchbauten entstanden später unter seiner Oberleitung. Alt-Rahnsdorfs Vierseit-Kirchturm ragt mit seinen hellen Putzflächen, den senkrechten roten Ziegelbändern und der in der Sonne glänzenden Schieferdeckung als weit sichtbare Landmarke über die Wald-und-Wasser-Umgebung.

Ganz unten am Müggelspree-Ufer fallen auf dem Grundstück vom Fischer Andreas Tamm die großen schwarzen und ebenfalls vierkantigen Räucheröfen ins Auge. Nach vorjährigen Brandschäden kann man jetzt auch den neuen Verkaufspavillon bestaunen, der mit heller Schindelverkleidung nun an Holzbau-Vorgeschichte des Dorfes erinnert. Die Enten, die hier vor den Stegen im Wasser planschen, sind gewohnte Anlieger. Aber dass mitten im Dorf wochentags ein Entenpärchen über das denkmalsgeschützte Kopfsteinpflaster zielstrebig zur letzten übriggebliebenen Pfütze marschiert, das wunderte den Stadtgänger dann doch. Es sollte Alt Rahnsdorf den Titel als schönstes Entenwatscheldorf der Hauptstadt bringen!

An manchen Ecken macht das uralte Fischerdorf fast einen verwunschenen Eindruck. | Foto: Bernd S. Meyer
  • An manchen Ecken macht das uralte Fischerdorf fast einen verwunschenen Eindruck.
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Die historischen Bündelpfahllaternen um den Anger stammen nicht etwa aus der Wiederaufbauzeit um 1890, sondern aus den 1980er-Jahren, sind als historisches Schmeckerchen, genannt „Schinkellampen“, für das Nikolaiviertel entworfen und damals auch nach Rahnsdorf „exportiert“ worden. Ganz echt und uralt – laut Naturdenkmaltafel auf das Jahr 1500 datiert – ist die alte Dorf-Ulme, die in Ruhe noch älter werden darf. Eine übrig gebliebene Ecke des alten Kirchhofs erinnert mit Gedenksteinen und -tafeln an bekannte und unbekannte Fischer, die immer wieder hinausfuhren, um auf dem See Menschen vor dem Ertrinken zu retten – bis heute.

Aktuell kommt man von Mai bis Oktober an Wochenenden wie Feiertagen übers Wasser am günstigsten mit der Fähre. Von Kruggasse bis Müggelwerderweg fährt stündlich die Linie 23, und auf Linie 24 kann man sich mit zwölf Ruderschlägen per Hand von Kruggasse zu den Spreewiesen übersetzen lassen, laut Fahrplan auch in Gegenrichtung.

Der Rundgang beginnt am Sonnabend, 15. Juni, um 11 Uhr. Treffpunkt ist die Ecke Am Schonungsberg und Fürstenwalder Allee, zu erreichen ab S-Bahnhof Rahnsdorf mit dem Bus 161 in Richtung Erkner bis zur Haltestelle Grünheider Weg. Die Tour wiederhole ich am 29. Juni um 14 Uhr. Die Teilnahme kostet dann aber neun, ermäßigt sieben Euro. Telefonische Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31.

Die Führung am 11. Mai ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblatts kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: Am Montag, 10. Juni, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 73 02.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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