Stimmungswechsel: Die Linke und die Zählgemeinschaft reden mehr miteinander
Lichtenberg. Sie ist die größte Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV): Bei der letzten Bezirkswahl im Jahr 2011 stimmten 34,2 Prozent der Lichtenberger für die Partei Die Linke. Doch die Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Grünen ist stärker – und hat den Linken nicht immer Gehör geschenkt. Das scheint sich nun zu ändern.
"Wir sind nicht mehr so laut", sagt Hendrikje Klein. Zusammen mit Daniel Tietze führt sie seit März dieses Jahres die Fraktion Die Linke. "Wir wollen sachliche Politik machen", ergänzt Tietze. Dass das möglich scheint, hängt wohl auch mit personellem Wechsel zusammen: Birgit Monteiro (SPD) übernahm im Januar das Bürgeramt ihres Parteikollegen Andreas Geisel (SPD), nachdem der überraschend zum Bausenator berufen worden war. Klein und Tietze lösten den damaligen Linken-Fraktionschef Christian Petermann ab.
Auch eine andere Personalie war nicht unbedeutend: Michael Grunst, lange Zeit jugendpolitischer und haushaltspolitischer Sprecher, gab sein Mandat in der BVV zugunsten eines Postens als Stadtrat in Treptow-Köpenick auf. Grunst bleibt jedoch Kreisvorsitzender in Lichtenberg – mit 1200 Mitgliedern der stärkste Linken-Kreisverband Deutschlands.
Eine andere Entwicklung ist ebenfalls spürbar: Immer häufiger wird Lichtenberg als boomender Bezirk bezeichnet. Familienfreundlich – so lautet das aktuelle politische Motto. Birgit Monteiro baut auf dieses Image.
Die Linke zieht mit, auch wenn sie das Leitbild vom familienfreundlichen Bezirk mitunter als "Stadtmarketing" wertet. "Da wird politisch ein Bild von Mittelstandsfamilien gezaubert. Wir sind aber nicht Prenzlauer Berg. Die Bevölkerungsstruktur hier hat sich nicht wesentlich verändert", sagt Daniel Tietze. Und ergänzt: "Wir wollen den Bezirk nicht runtermachen und auch keinen Klassenkampf. Aber wir wollen ein vollständiges Bild malen." Die Probleme von Alleinerziehenden und Kinderarmut seien drängend. "Um diese Probleme zu lösen, müssen wir miteinander reden." Die Fraktion vermeide dabei aber die "scharfe Tonlage".
Das ist neu. Vor einem Jahr sah das noch anders aus. Da kam es in der BVV durchaus zu heftigen Rededuellen. Immer wieder kämpfte Michael Grunst gegen die Politik des sozialdemokratischen Bürgermeisters Andreas Geisel, dessen Sparpolitik und Personalabbau. Auch bei der Jugendarbeit forderte Grunst hartnäckig Verbesserungen.
Die Sozialdemokraten indes versicherten ständig, der Linken "die Hand reichen" zu wollen – und ließen die Fraktion dann gemeinsam mit ihren Zählgemeinschaftspartnern auflaufen. Irgendwann wurde dann gar nicht mehr miteinander gesprochen.
Bei den aktuellen Beratungen zum Haushalt 2016 und 2017 ist eine Annäherung spürbar. "Die Haushaltsberatungen sind der Lackmustest für die Kompromissbereitschaft der Zählgemeinschaft", sagt Christian Petermann, der heute haushaltspolitscher Sprecher der Linken-Fraktion ist. Weniger Gerangel gibt es allerdings auch deshalb, weil der Bezirk Überschüsse erwirtschaftet hat und mehr Geld als in den Vorjahren ausgeben kann. "Wir sind froh, dass die Kultschule finanziert werden soll", sagt die Hendrikje Klein. Für den Erhalt hatte sich die Linke seit langem eingesetzt. Positiv wertet die Fraktion auch, dass die Mindestfinanzierung von Jugendfreizeiteinrichtungen möglich ist.
An der Zählgemeinschaft gescheitert ist dagegen der Vorschlag der Linken, einen speziellen Geldtopf zu schaffen, aus dem Ferienreisen für bedürftige Kinder finanziert werden sollten. Also bleiben Konflikte. So will die Linke nicht ihre Kritik an der Sparpolitik zurücknehmen, auch wenn sie gemäßigt ausfällt: "Durch ein Moratorium wurden die Personaleinsparungen im Grünflächenamt vorerst gestoppt, doch noch immer fehlt es an Personal in den Bürgerämtern und im Ordnungsamt. Birgit Monteiro hält auf diese Weise weiterhin am Personalabbaukonzept fest", resümiert der Haushaltsexperte der Linke-Fraktion, Christian Petermann. KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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