Vor dem Abflug zu Gott
Auch am neuen Berliner Großflughafen haben Seelsorger immer ein offenes Ohr für die Reisenden

Pater Wolfgang Felber leitet die ökumenische Flughafenseelsorge am BER. Petra Habbig ist seit fünf Jahren ehrenamtlich im Team.  | Foto: Dirk Jericho
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Mit der Eröffnung des Flughafens BER hat auch das ehrenamtliche Team der ökumenischen Flughafenseelsorge um Pfarrerin Sabine Röhm und Pater Wolfgang Felber seine Arbeit aufgenommen.

Man muss nicht an Gott glauben, wenn man vor einer langen Reise nochmal Ruhe und Kraft tanken will. Ein Besuch der beeindruckenden Kapelle kurz vor den Gates im neuen Terminal 1 mit dem Raum der Stille lohnt sich schon wegen der Architektur. Hans-Joachim Paap vom Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner hat einen einzigartigen Rückzugsort geschaffen, einen quadratischen Bau aus Brandenburger Ziegel mit fünf quadratischen Räumen. Links geht’s in die christliche Kapelle mit Kreuz und Taufschale, rechts in den Raum der Stille mit einer Windrose im Boden. Viele muslimische Gläubige – vor allem von der Flughafen-Security – beten dort täglich. Ihre Gebetsteppiche liegen im Regal im Vorraum.

Über 30 Ehrenamtliche

Der katholische Priester Wolfgang Felber ist beeindruckt von dem einzigartigen Ort für Gäste, Besucher und Angestellte. Die Flughafenkapelle ist seit 2012 fertig; aber erst acht Jahre später konnten Felber und seine evangelische Kollegin, Pfarrerin Sabine Röhm, dort mit der Flughafenseelsorge starten. Bis zur BER-Eröffnung im Oktober hat das Team mit über 30 Ehrenamtlichen zwischen 30 und 75 Jahren Menschen auf den Flughäfen Schönefeld und Tegel geholfen, wenn sie Trost und Beistand suchten. Eine Kapelle gab es da nicht, sondern nur ein Minibüro, in dem Passagiere schon mal auf Wunsch beten durften.

Die Frauen und Männer haben eine Seelsorger-Ausbildung und können in schwierigen Situationen Trost spenden. Und sie haben auch immer ein offenes Ohr für die Mitarbeiter und Passagiere. „Manche wollen vor dem Abflug einen Reisesegen“, sagt Petra Habbig. Die 57-Jährige ist seit fünf Jahren ehrenamtlich dabei. Ehepaaren legt Habbig vor dem Abflug in die Flitterwochen auf Wunsch schon mal die Hand auf den Kopf oder singt mit Reisegruppen. Die Arbeit der Seelsorger ist so vielschichtig wie das Leben. „So ein Flughafen ist wie eine kleine Stadt“, sagt Pater Wolfgang Felber. Die Seelsorger sind nicht nur für die traurigen Sachen da wie beispielsweise nach dem Absturz der Germanwings-Maschine 2015 in Frankreich. Damals führten die Seelsorger viele Gespräche mit Germanwings-Mitarbeitern. Für die Opfer des 1996 in der Dominikanischen Republik abgestürzten Urlauberjets finden auch heute noch jedes Jahr an einem Gedenkstein in Schönefeld Andachten statt. „Das ist sehr bewegend“, sagt Pater Felber.

Gebetsbücher im Raum der Stille. | Foto: Dirk Jericho
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Solche dramatischen Ereignisse sind die Ausnahme, 95 Prozent der Arbeit der Flughafenseelsorger seien Routine. Und immer wieder gibt es schöne Momente, wenn die Seelsorger helfen konnten. „Wir sind das Rundumpaket“, sagt Petra Habbig und berichtet von einem amerikanischen Pärchen, das sich bei ihr später per E-Mail für ihre Hilfe bedankt hat. Die schwangere Frau hatte Blutungen, konnte nicht weiterfliegen. Habbig hat ein Taxi ins Krankenhaus besorgt und die Sachen aus dem Flieger geholt. Die Flughafenseelsorger mit ihren lila Westen und Ausweisen dürfen das. Sie werden auch gerufen, wenn zum Beispiel eine Witwe landet, deren Mann gerade im Urlaub verstorben ist. „Dann holen wir sie ab und kümmern uns“, so Felber. Der Jesuitenpater betont, dass Seelsorge nichts mit Missionieren zu tun habe. „Wir sind alle motiviert durch unseren Glauben, aber unsere Seelsorge ist für jeden da“, sagt er.

Viele einsame Menschen sehen im Flughafen auch ihr Zuhause und kommen, um nicht alleine zu sein. Petra Habbig erzählt von einer älteren Frau, die sie jahrelang auf dem Flughafen Schönefeld begleitet hat. Als sie starb, waren zwei Flughafenseelsorger mit auf der Beerdigung. Flughafenseelsorge gewinnt in Corona-Zeiten an Bedeutung, sagt Felber. Weil auf dem BER zurzeit kaum was los ist, drehen sich viele Gespräche mit den Mitarbeitern um Zukunftsängste. Auch dafür sind die Seelsorger da.

Die christliche Kapelle mit Lichthof und Brandenburger Ziegel.  | Foto: Dirk Jericho
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In der kleinen Kapelle im Terminal direkt hinter Starbucks könnten auch Andachten, Taufen und Trauungen stattfinden. Noch gebe es kein Konzept für liturgische Angebote, sagt Pater Felber. Sonntagsmessen oder eine Mittwochsandacht um zwölf seien noch nicht geplant. Der Priester will keine falschen Erwartungen wecken. Beim Thema Trauungen und Taufen hält er sich besonders bedeckt. Klar könnten sich zum Beispiel ein Pilot und eine Stewardess in der Flughafenkapelle das Jawort geben. „Das wäre schon möglich, ist aber nicht mal angedacht“, wiegelt Felber ab. Er befürchtet einen Ansturm von Paaren, die in der schicken Kapelle des neuen Hauptstadt-Flughafens getraut werden möchten, wenn das in der Zeitung steht.

In Berlin seit Ende der 80er-Jahre

Finanziert wird die Flughafenseelsorge von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und dem Erzbistum Berlin. Pfarrerin Sabine Röhm und Pater Wolfgang Felber sind dort angestellt. Die Kapelle und den Schalter im Terminal 1 stellt die Flughafengesellschaft zur Verfügung. In dem Minibüro arbeitet auch der Flughafensozialdienst. Seelsorger auf Flughäfen gibt es seit Mitte der 1950er-Jahre in den USA und seit Mitte der 1970er-Jahre in Frankfurt am Main. Derzeit gibt es den kirchlichen Service an zehn deutschen Flughäfen. Flughafenseelsorge gab es seit Ende der 1980er-Jahre schon in Tegel und Tempelhof und dann auch in Schönefeld.

Weitere Informationen auf www.flughafenseelsorge-berlin.de.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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