Liegt Spandaus Geburtsstunde vor 1197?
Archäologe entdeckt Reste der alten Moritzkirche

Eintauchen in das Mittelalter. Archäologe Torsten Dressler und Baustadtrat Thorsten Schatz. | Foto: Thomas Frey
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Es gehört zum Berufsbild von Archäologen, dass sie sich an ihren Ausgrabungen begeistern. So wie Torsten Dressler. Über seinen aktuellen Fund in der Spandauer Altstadt sagt er, dass es sich hier „um den ältesten Kirchenfund im Raum Berlin“ handele. Er bringe womöglich neue Erkenntnisse über die Entstehungsgeschichte von Spandau.

Torsten Dressler steht an Mauerresten, die sich im Garten des Musikschulgebäudes an der Moritzstraße befinden. Bei dem Mauertorso handelt es sich um die Reste der Moritzkirche, die der Archäologe in den vergangenen Wochen entdeckt und inzwischen teilweise freigelegt hat.

Die Kirche, deren Ursprünge tief ins Mittelalter reichen, galt eigentlich als verschwunden. 1920 wurde das Gebäude vollständig abgerissen. Auf ihrem Grundstück entstanden Wohngebäude. Ein weiterer Bereich wurde zum Garten des früheren Schul- und danach Musikschulgebäudes. Der Umbau des Gebäudes an der Moritzstraße, Ecke Viktoria-Ufer zieht sich schon seit Jahren hin, immer wieder gibt es Schwierigkeiten und auch aktuell noch keinen Termin für die Einweihung.

Beim bisher freigelegten Bereich handelt es sich um die Sakristei der Moritzkirche. | Foto:  Thomas Frey
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Zum ersten Mal sei er zur 2020 zur Baustelle gerufen worden, weil damals Knochen gefunden wurden, berichtet Torsten Dressler. Für ihn war das keine große Überraschung. Denn dass auf Teilen des Terrains einst ein Friedhof bestanden hat, ließ sich aus alten Karten erahnen. Auch dass es auf dem Areal eine Moritzkirche gegeben habe, habe er gewusst. Er habe aber nicht geglaubt, dass noch Reste vorhanden seien, sondern sei davon ausgegangen, dass die Kirche vor mehr als 100 Jahren vollständig abgetragen wurde. Das war nicht der Fall und eigentlich waren die Fundamentteile nicht einmal besonders tief versteckt. „Sie beginnen ungefähr 15 Zentimeter unter der aktuellen Ebene“.

Der Archäologe und seine Entdeckung. | Foto: Thomas Frey
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Freigelegt hat der Archäologe mittlerweile einen knapp 20 Quadratmeter großen Bereich, mit teilweise gut erhaltenen Mauerresten. Es handle sich hier um die ehemalige Sakristei, erläutert er. „Wir schauen ins Mittelalter mit dem Blick von heute“, stellte Baustadtrat Torsten Schatz bei der Besichtigung fest. Auffallend sei vor allem die Qualität, etwa der Steine. Kein alltägliches Material aus dem 12. Jahrhundert wurde für den Bau verwendet. Auch das lässt auf eine begüterte Gemeinde schließen. Das blieb allerdings nicht so. Die nicht weit entfernte Nikolai-Kirche, beziehungsweise ihr Vorgängerbau, wurde später das führende Gotteshaus. Er wurde wahrscheinlich in der Zeit zwischen 1240 und 1250 errichtet und damit mindestens 50 Jahre nach der Moritzkirche.

Hochwertiges Material aus dem 12. Jahrhundert. | Foto: Thomas Frey
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Namensgeber der Moritzkirche war der Heilige Moritz oder Mauritius, ein wahrscheinlich aus Ägypten stammender römischer Heerführer, gestorben angeblich Ende des dritten Jahrhunderts nach Christus. Dabei handelte es sich um den ersten Schwarzen, der Heiligenstatus bekam. Er gilt unter anderem als Schutzpatron des Heeres und der Infanterie sowie der Messer- und Waffenschmiede. Dazu passt vielleicht, dass die Moritzkirche schon lange vor ihrem Ende, Torsten Dressler meint, spätestens seit 1806, nicht mehr als Gotteshaus genutzt wurde. Sie war Kaserne, Materiallager, Wohnort. Nach ihrem Verschwinden wurde sie schnell vergessen. Ihr teilweises Wiederauftauchen könnte aber jetzt vielleicht noch manche ungeklärte Fragen beantworten, hofft der Ärchäologe.

Als Berlins bisher älteste Kirche gilt die Nikolaikirche in Mitte, erstmals entstanden etwa zur Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung der Doppelstadt Berlin und Cölln im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts. Spandau ist noch einige Jahre älter. Sein Heraustreten aus dem Dunkel der Geschichte datiert bisher auf das Jahr 1197. Möglicherweise könnten weitere Funde an der Moritzkirche eine noch frühere Geburtsstunde erbringen. Das Entstehen des Gotteshauses taxiert auch er auf die Zeit Ende des 12. Jahrhunderts. Aber vielleicht lässt sich das noch genauer angeben.

Stadtrat Schatz und das Bezirksamt räumten dem Archäologen fünf weitere Wochen für zusätzliche Ausgrabungen ein. | Foto: Thomas Frey
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Nicht nur dieser Frage nachzugehen, hat Torsten Dressler jetzt noch rund fünf Wochen Zeit. Diese Frist bekam er vom Bezirksamt eingeräumt, um weitere Grabungen vornehmen zu können. Denn eigentlich war sein Auftrag auf der Musikschulbaustelle inzwischen beendet. Er habe, nachdem er über den Fund informiert wurde, die Kolleginnen und Kollegen im Bezirksamt um Zustimmung für ein temporäres Weiterführen der Arbeiten gebeten und auch bekommen, sagte Stadtrat Schatz. Die Mehrkosten in Höhe von 43 000 Euro werde der Bezirk zunächst absichern. Er sei aber in Gesprächen zwecks Fördermittel, sowohl aus dem Bereich Stadtentwicklung als auch der Kultur.

Eine Karte, die zeigt, dass sich in der Spandauer Altstadt wahrscheinlich noch viele historische Relikte befinden.   | Foto: Thomas Frey
  • Eine Karte, die zeigt, dass sich in der Spandauer Altstadt wahrscheinlich noch viele historische Relikte befinden.
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Der Archäologe will an der Fundstelle jetzt noch tiefer graben und hofft, weitere Exponate aus der ganz frühen Vergangenheit Spandaus zu finden. Was davon wertvoll und aussagekräftig ist, soll, ebenso mit manchem, was bisher schon entdeckt wurde, ins Stadtgeschichtliche Museum auf der Zitadelle gebracht werden. In dessen Bestand werde aktuell außerdem nach allen Dokumenten geforscht, in denen die Moritzkirche eine Rolle spielt.

Was verbirgt sich hier noch in  der Tiefe? | Foto: Thomas Frey
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Sobald sein Auftrag abgeschlossen ist, wird das Fundament wieder zugeschüttet. Auch sogenannte historische Fenster, also verglaste Gucklöcher, durch die Ausgrabungen angeschaut werden können, sind nicht vorgesehen. Der Außenbereich der Musikschule ist für eine andere Nutzung vorgesehen. Es werde aber Vorsorge getroffen, dass der Torso im Untergrund, vielleicht in späteren Generationen, wieder geöffnet werden könne, sagt Thorsten Schatz. Vorgesehen sei überdies, den Grundriss der Moritzkirche auf der Freifläche aufzumalen.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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