"Die Praxis sieht anders aus"
Probleme bei der Haushaltsbefragung zum Milieuschutz

Auch in der Rudolf-Wissell-Siedlung haben die Bewohner die Unterlagen für die Haushaltsbefragung erhalten. Manche können damit aber wenig anfangen und wenden sich deshalb an die Sozialberatung Heerstraße Nord. | Foto:  Thomas Frey
  • Auch in der Rudolf-Wissell-Siedlung haben die Bewohner die Unterlagen für die Haushaltsbefragung erhalten. Manche können damit aber wenig anfangen und wenden sich deshalb an die Sozialberatung Heerstraße Nord.
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In Spandau sollen vier weitere Milieuschutzgebiete eingerichtet werden. Ob das passiert, hängt nicht zuletzt von der Haushaltsbefragung ab, die derzeit läuft. Anträge der Fraktionen von SPD und Linke, die Frist für die Befragung zu verlängern und die Fragebögen in weiteren Sprachen anzubieten, wurden wie berichtet bei der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV)am 17. Juli von einer Mehrheit abgelehnt.

Menschen, die in der Mieter- und Sozialberatung tätig sind, kritisieren die Ablehnung. Der Stadtrat Thorsten Schatz (CDU) habe sie bei seinen Ausführungen in der BVV nur theoretisch begründet, meinte Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV). "Die Realität in der Praxis sieht aber anders aus."

Thorsten Schatz hatte, wie berichtet, unter anderem den sechswöchigen Zeitraum für das Ausfüllen und Abschicken der Haushaltsbefragung als ausreichend bezeichnet. Normal wären eigentlich vier Wochen. Dass die bis 23. August terminierte Erhebung über weite Strecken parallel zu den Ferien verlaufe, hielt er ebenfalls für kein Problem. Erfahrungsgemäß gebe es die meisten Rückläufe unmittelbar nach Beginn der Befragung, was sich auch durch die aktuellen Eingänge bestätige. Die für manche Menschen oft schwer verständlichen Fragestellungen konterte er mit dem Hinweis, dass beim Abfassen des Fragebogens Wert auf nachvollziehbare Sprache gelegt worden sei. Aufgrund bestimmter juristischer Formulierungen wäre das aber nicht durchgehend möglich. Außer auf Deutsch gebe es die Haushaltsbefragung auch in einer englischen Version. Weitere Sprachen anzubieten, könnte den Gleichheitsgrundsatz tangieren. Denn in den möglichen Milieuschutzgebieten lebten Menschen aus sehr vielen Herkunftsländern.

"Die Sozialberatung wird gerade überrannt"

Marcel Eupen hält manche Argumente für vorgeschoben. Mehr Sprachen anzubieten sei nach seiner Meinung möglich, wie Befragungen in Charlottenburg-Wilmersdorf zeigten. Dort wären es nämlich fünf. Auch die Urlaubszeit spiele eine Rolle. Es gebe nicht wenige Menschen, zum Beispiel aus der Türkei, die einen Großteil der Ferien in ihrem Herkunftsland verbringen. Dass leichte Sprache beim Abfassen des Fragebogens an ihre Grenzen stößt, räumte Marcel Eupen ein. Aber gerade deshalb bräuchte es Hilfestellung. Und damit ist er wieder bei seinem erwähnten Praxistest. "Die Sozialberatung in der Heerstraße Nord wird gerade von Menschen überrannt, die nicht wissen, was sie mit dem Fragebogen anfangen sollen."

Tom Liebelt, der Leiter des dortigen Staakentreffs, bestätigt das. Zum Staakentreff kommen vor allem Menschen aus der Rudolf-Wissell-Großsiedung, einer der vier potenziellen neuen Milieuschutzgebiete. "Wir haben weder die Zeit, noch die Kapazitäten, um mit jedem einzelnen den Bogen durchzugehen", erklärt er, auch mit Hinweis auf die aktuellen Ferienwochen. Er selbst habe das bei einer Frau gemacht und dafür ungefähr eine Stunde gebraucht. Das erste und vielleicht größte Problem wären bereits die Sprachbarrieren. Nicht alle verstehen ausreichend Deutsch, Englisch oft noch weniger. "Was wir brauchen, wären zumindest Übersetzer für Arabisch, Farsi, Türkisch".

Mangelndes Verständnis sorge auch dafür, dass viele die Haushaltsbefragung überhaupt nicht einordnen könnten. "Die sehen nur, dass das Schreiben vom Amt kommt und sie vielleicht jetzt irgendetwas tun müssen." Die Sozialberater erklärten ihnen dann, dass es sich um ein wichtiges Anliegen handle, die Teilnahme aber nicht verpflichtend sei. "Wer den Bogen nicht ausfüllt, muss weder Geld bezahlen, noch komme er ins Gefängnis". Nach dieser Information würden manche bereits kein weiteres Interesse mehr zeigen.

Das wäre natürlich kein optimales Herangehen, meint Tom Liebelt. Denn es soll ja eine möglichst große Beteiligung erreicht werden. Aber in der aktuellen Situation gehe es nicht anders. Er hat auch bereits um weitere Unterstützung nachgefragt, etwa bei Marcel Eupen. Der konnte nur abwinken. "Ich bin mit meiner Mieterberatung völlig ausgelastet."

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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