Wenn ein Museum zum Museumsgegenstand wird
Eine Ausstellung zu 100 Jahren Heimatgeschichte in Spandau
Museen sind Orte, die sich mit bestimmten Themen oder Epochen beschäftigen. Eher selten wird das Haus zum Gegenstand einer Ausstellung, wie das heutige Stadtgeschichtlichen Museum Spandau. Es wurde am 12. Mai 1924 als Spandauer Heimatmuseum im Rathaus gegründet.
Genau 100 Jahre später öffnete im Zeughaus auf der Zitadelle eine Ausstellung, die sich unter dem Titel „Geschichten sammeln, Erinnerung bewahren und Werte vermitteln“ mit dieser Historie beschäftigt. Sie wirft außerdem einen Blick in die Zukunft und fragt, wie sich ein Museum künftig präsentieren soll.
Der Beginn des Heimatmuseums erfolgte dreieinhalb Jahre, nachdem die bis dahin selbstständige Stadt Spandau nach Berlin eingemeindet und einer ihrer damals 20 Bezirke geworden war. Er war deshalb auch eine Art Vergewissern der eigenen Geschichte und Tradition in der jetzt anders gestalteten Gegenwart. Es gibt in der Ausstellung einige Angaben und Exponate, die sich auf die Zeit vor 1924 beziehen, der Schwerpunkt liegt aber auf den vergangenen 100 Jahren. Und manches Wichtige aus der Spandauer Vergangenheit sei mit dem Beginn von Groß-Berlin ins Märkische Museum nach Mitte gewandert, erklärte Museumsleiterin Dr. Urte Evert bei der Eröffnung.
Die zehn Dekaden institutionalisierter Spandauer Heimatgeschichte sind durch viele Veränderungen und Brüche geprägt und entlang dieser Einschnitte ist die Schau kuratiert: von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus, Nachkriegszeit, das geteilte Berlin, die Wiedervereinigung der Stadt und des Landes. Aber es geht hier nicht um das reine Nacherzählen von oft bekannten Fakten. Vielmehr wird aus dem Spandauer Blickwinkel und mithilfe von besonderen Erinnerungsstücken und Besonderheiten Geschichte lebendig.
Während der Nazizeit hat das Beschäftigen mit der Heimatgeschichte einen großen, durch das Regime unterstützten und gesteuerten Stellenwert bekommen. Auch auf diese Weise sollte die NS-Ideologie vermittelt werden. In diese Heimatbegeisterung reihte sich noch 1935 auch die jüdische Familie Sternberg ein, die ein Kaufhaus in der Breite Straße betrieb. „Mit der Heimat eng verbunden“, warb sie damals in einer Anzeige. Während der Pogromnacht am 9. und 10. November 1938 wurde das Kaufhaus geplündert, die Familie zum Verkauf und in die Emigration gezwungen. Ausgrenzung, Verfolgung, die Perversion des Heimatbegriffes, das und noch mehr kann allein an diesem Beispiel festgemacht werden.
Ähnliches gilt für eine einzelne Porzellanpuppe, die in der Ausstellung prominent zu sehen ist. Sie hat keinen besonderen materiellen, aber ideellen Wert. Die Puppe gehörte zu den Beständen des Heimatmuseums, die auf der Zitadelle eingelagert, bei Kriegsende teilweise zerstört oder geplündert wurden. Denn die Festung war gleichzeitig ein militärischer Ort. Auch wegen der damaligen Verluste gibt es bis heute einige Lücken. Die Figur war anscheinend ebenfalls entwendet worden, wurde aber wahrscheinlich von dem, der sie entwendet hatte, verloren. Ein Spandauer entdeckte sie, behielt den Fund zunächst ungefähr zehn Jahre, ehe er ihn an das Museum zurückgab.
Nicht nur die Porzellanpuppe ist ein Beispiel für so manches ungewöhnliche Exponat, das sich im Besitz des Museums befindet. Bei nicht wenigen stellt sich dabei die Frage, wie mit ihnen umgegangen werden soll. Sind sie ein wichtiger Zeitgegenstand oder zu sehr historisch kontaminiert?
Während der West-Berliner Epoche ist anderes im Vordergrund. Hier spielt natürlich die Teilung eine Rolle, mehr im Fokus stehen soziale und gesellschaftliche Veränderungen, ausgedrückt auch am technischen und materiellen Fortschritt in Form von Fernseher oder anderen Haushaltsgeräten. Und besondere Ereignisse für Spandau waren in diesem Zeitabschnitt die 750-Jahr-Feier 1982 oder die Eröffnung der U-Bahnlinie 7 bis zum Rathaus zwei Jahre später.
Eine prägende Phase dieser Dekaden, die Anwesenheit der britischen Schutzmacht von 1945 bis zum Abzug 1994, sieht Urte Evert als zu Unrecht fast vergessen, zumindest unterbelichtet an. Gerade Spandau habe zu den Briten ein enges Verhältnis gepflegt, viele Menschen bei ihnen Arbeit gefunden, die Militärangehörigen seien Teil des Lebens im Bezirk gewesen. Eine Vitrine zeigt Gastgeschenke, die Spandauer Bürgermeister von der Armee Ihrer Majestät bekommen haben. Und die 2022 verstorbene Königin Elizabeth ist ebenfalls auf einem Foto zu sehen. Es zeigt sie bei der Ankunft zu ihrem Deutschlandbesuch 1992 auf dem Flugplatz Gatow.
Was muss aus der Geschichte bewahrt werden? Und in welcher Form soll das passieren? Das sind Fragen an das Museum von heute. Bereits jetzt seien die Ausstellungen diverser, erinnerte die Leiterin. Es gebe interaktive Elemente, mehrsprachige Erklärungen, andere Themen rückten in den Vordergrund. Gerade für Spandau nannte sie hier auch den Kolonialismus. Der habe vor allem in der Nazizeit im Bezirk noch eine wichtige Rolle gespielt. 1935 und 1937 habe es zwei Kolonialausstellungen in den Bismarck-Sälen am Askanierring gegeben.
Und was wäre aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer sonst noch wichtig? Wie fühlen sie sich von einem Museum angesprochen? Ihre Meinung ist gefragt. Sie sollen Anliegen, Anmerkungen, Wünsche hinterlassen. Denn gerade ein lokales Museum lebt davon, dass sich die darin wiederfinden, die hier leben. Egal, ob schon lange, oder erst seit kurzer Zeit.
Die Ausstellung ist bis zum 2. März 2025 zu sehen. Geöffnet ist Freitag bis Mittwoch von 10 bis 17, Donnerstag, 13 bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet 4,50, ermäßigt 2,50 Euro. Das Ticket berechtigt zum Besuch aller Museen und Ausstellungen auf der Zitadelle sowie des Juliusturms. Es gibt außerdem ein Begleitprogramm. Näheres dazu unter www.zitadelle-berlin.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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